Der "Koal-O-Mat" für Brandenburg und Sachsen: Themenspezifische Mehrheiten als Alternative zu zerstrittenen Regierungsbündnissen

Bei den kommenden Landtagswahlen am 1. September 2019 dürften sowohl die rot-rote Koalition in Brandenburg als auch Schwarz-Rot in Sachsen die Regierungsmehrheit verlieren. Die Politikwissenschaftler PD Dr. Christian Stecker und Dr. Thomas Däubler vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim haben ermittelt, welche Koalitionen in den beiden Ländern künftig mehr oder weniger gut funktionieren könnten. Als Datenbasis dient den Wissenschaftlern die bekannte Online-Anwendung des Wahl-O-Mats.

Der Wahl-O-Mat gleicht die Position eines Nutzers zu 38 politischen Themen mit den entsprechenden Positionen der Parteien ab und zeigt so, welcher Partei man inhaltlich am nächsten steht. "Wir haben anhand der Antworten der Parteien auf die Wahl-O-Mat-Thesen analysiert, wie groß die inhaltlichen Schnittmengen verschiedener Parteienbündnisse ausfallen. Aus dem Wahl-O-Mat entsteht so ein Koal-O-Mat", erklärt Christian Stecker.

Regierungsbildung in Sachsen: So schwer wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung

Die schwarz-rote Koalition in Sachsen wird voraussichtlich die absolute Mehrheit im Landtag verlieren und weniger als 40% der Wählerstimmen auf sich vereinen können. Damit eröffnet sich die Frage nach alternativen Koalitionsbildungen. Neben den sinkenden Wählerstimmen für die CDU und SPD ist derzeit prognostiziert, dass die AfD mehr als ein Viertel der Sitze im Dresdner Landtag erobert. „Das Spektrum links der AfD ist in der Gesamtheit aber so heterogen, dass eine funktionierende Koalition aus vier Parteien kaum vorstellbar ist“, stellen Christian Stecker und Thomas Däubler fest.

In Sachsen scheinen die meisten Koalitionsbündnisse mit einer absoluten Mehrheit deshalb als kaum handlungsfähig. So weist eine Verbindung zwischen CDU, SPD und den Grünen weniger als 25% an Gemeinsamkeiten auf. In einem Bündnis dieser drei Parteien mit der Linken sinkt dieser Anteil sogar auf unter 15%. Die beiden Wissenschaftler fassen für Sachsen folgende Entwicklung zusammen: „Man kann mit großer Sicherheit von einer Zweiteilung zwischen einerseits programmatisch relativ homogenen aber rechnerisch bzw. politisch unrealistischen Bündnissen (R2G, AfD/CDU, CDU/SPD) und andererseits eher vorstellbaren aber konfliktären Konstellationen sprechen“.

Brandenburg: Inhaltliche Schnittmengen verschiedener Regierungsoptionen

Verglichen mit Sachsen dürfe sich die traditionelle Regierungsbildung in Brandenburg einfacher gestalten, sofern die Grünen ihrem bundesweiten Trend folgen und ein gutes Wahlergebnis erlangen. In dieser Konstellation dürfte ein Bündnis zwischen SPD, Linken und den Grünen am wahrscheinlichsten sein. Verfehlt diese Verbindung eine absolute Mehrheit, steht eine Regierungsbildung in Brandenburg aber ebenfalls vor großen Herausforderungen.

Alternative zum Koalitionskorsett: Themenspezifische Mehrheiten

Da die zu erwartenden Mehrheitsverhältnisse in Brandenburg und Sachsen das Regieren sehr schwer machen werden, appellieren die Politikwissenschaftler an die Parteien, auch neue Kooperationsformen zu erwägen. „Es ist zwar eine seit Adenauer eingeübte Routine aber kein Naturgesetz, dass sich Koalitionspartner einem absoluten Kompromisszwang unterwerfen und die Opposition bei der Suche nach Kompromissen völlig außer Acht lassen. Parteien können sich auch aus dem starren Gegensatz von Regierung und Opposition lösen und je nach Sachfrage unterschiedliche Mehrheiten bilden“, so Stecker. Die Wissenschaftler verweisen hierzu einerseits auf das Konzept einer Minderheitsregierung nach skandinavischem Vorbild und andererseits auf innovative Koalitionsabkommen, die es den Koalitionspartnern ermöglichen, bestimmte politische Themen vom Koalitionszwang auszuklammern.

Weitere Informationen und Kontakt:

Die vollständige Analyse der Wissenschaftler inkl. grafischer Darstellungen steht hier zur Verfügung: https://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/misc/koalomat_ltws2019.html

PD Dr. Christian Stecker
Projektleiter
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2855
E-Mail: Christian.Stecker [at] mzes.uni-mannheim.de
https://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/profiles/christian-stecker

Hannah Laumann / Jana Paasch
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2828 / -2840
E-Mail: kommunikation [at] mzes.uni-mannheim.de
www.mzes.uni-mannheim.de

(Pressemitteilung Universität Mannheim, 27.08.2019)