Netzwerke Sozialer Medien und die Beziehungen zwischen Bürgern und Politik

Fragestellung/Ziel: 

Das Projekt untersuchte, auf welche Weise die Nutzung Sozialer Medien politische Partizipation, Kommunikation und Mobilisierung beeinflusst. Insbesondere stand im Fokus, wie Soziale Medien die Beziehungen zwischen Bürgern und Politik (um)gestalten, indem sie sich auf die Bereitschaft zu politischer Aktivität auswirken und welche Folgen derartige Prozesse für die Gesellschaft allgemein haben.

Das Projekt kombinierte neue Methoden und Verfahren zur Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen aus Sozialen Medien mit Umfragedaten über politische Einstellungen und politisches Verhalten. Eigens erstellt wurde ein großer Datensatz mit Twitter-Informationen über drei transnationale soziale Bewegungen: Die in den USA entstandene Initiative Occupy Wall Street, die spanische Bewegung der Indignados und die griechischen Aganaktismenoi. Auch wurden über das Internet Fragebögen an Personen verteilt, die sich an diesen Bewegungen beteiligten. Die verwendeten Analysetechniken bezogen die Untersuchung von Umfrage-, Text- und Netzwerkdaten mit ein. Die Ergebnisse erlauben in erster Linie drei Schlussfolgerungen.

Erstens: Obgleich Twitter in erheblichem Maße zur politischen Diskussion und zur Kommunikation von protestbezogenen Informationen verwendet wurde, waren Aufrufe zur Beteiligung an den Protesten nicht tonangebend. Nur eine sehr kleine Minderheit von Tweets bezog sich auf die Organisation von Protestaktionen und Fragen der Koordination. Dies weckt Zweifel daran, ob in letzter Zeit diskutierte Gedanken zur sinkenden Bedeutung von Organisationen tatsächlich richtig liegen. Ferner zeigten sich beim Vergleich der über Twitter ausgetauschten Informationen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede bezüglich der drei untersuchten Bewegungen, die sich auf die jeweiligen nationalen Kontexte zurückführen lassen.

Zweitens: Durch den Vergleich der politischen Partizipation abseits des Internets derjenigen Twitter-Nutzer, die Tweets über die sozialen Bewegungen verfasst haben, mit der von Twitter-Nutzern, die keine solchen Tweets abgesetzt haben, erhält man einzigartige Informationen darüber, wie Online-Aktivität auch zu politischer Offline-Mobilisierung führen kann. Wesentliche Erkenntnis daraus ist, dass – auch wenn Online- und Offline-Partizipation im Allgemeinen nicht zusammenhängen - das Twittern die Teilnahme an Protestaktionen jenseits des Internets begünstigt, allerdings nur bezüglich bestimmter Anlässe oder Themen.

Drittens: Obwohl die griechische Bewegung keine signifikanten formal-institutionellen Auswirkungen jenseits des Internets hatte, so hatte der Einsatz der Sozialen Medien auf lange Sicht doch bedeutsame und sichtbare Folgen. Dies zeigte die Analyse des Datensatzes für Griechenland in Verbindung mit zusätzlichen Daten, die 2014 erhoben wurden. Die Sozialen Medien erlaubten es den Griechen, ihren Widerstand gegen die unpopulären Maßnahmen der Regierung eigenständig, ohne Unterstützung seitens traditioneller politischer Organisationen zu organisieren und zu koordinieren; sie trugen dazu bei, bislang nicht in Proteste involvierte Teile der griechischen Bevölkerung zu mobilisieren; und, was vielleicht am wichtigsten ist, die Sozialen Medien gaben den griechischen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, die Zivilgesellschaft mit kreativen und innovativen sozialen Aktivitäten zu stärken, beispielsweise indem online freiwillige Tutorien für Schulkinder organisiert wurden.

Obige Erkenntnisse wurden bei drei internationalen Konferenzen vorgestellt und im Rahmen eines Zeitschriftenaufsatzes sowie in Form zweier Buchkapitel publiziert.

Fact sheet

Finanzierung: 
Uni Mannheim, MZES
Laufzeit: 
2011 bis 2015
Status: 
beendet
Datenart: 
Inhaltsanalyse; Internetbasierte Umfrage
Geographischer Raum: 
Europe und USA

Veröffentlichungen