Bildungs- und Berufsverläufe von Studienabbrechern

Fragestellung/Ziel: 

In Deutschland tritt rund ein Viertel aller Studienanfänger mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in das Studium ein. Über die Konsequenzen dieser „Umwege“ in die Hochschule ist jedoch wenig bekannt. Auf der einen Seite können die berufsspezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen, die in der Ausbildung erworben wurden, auch im Studium genutzt werden und sollten damit zum Studienerfolg beitragen. Auf der anderen Seite sind die formalen Qualifikationen aus der Berufsausbildung eine „Versicherung“ (Büchel und Helberger 1995; Shavit und Müller 2000), die Studienabbrechern einen reibungslosen Übergang in den Arbeitsmarkt sichern können.

Im Mittelpunkt unserer Forschungsarbeit stehen deshalb zwei zentrale Fragestellungen:

  1. Sind die vor-tertiären Ausbildungen für das Hochschulstudium hilfreich oder setzen sich die „diskontinuierlichen“ Bildungswege auch im Hochschulstudium fort?
  2. Sind vor-tertiäre Ausbildungen eine „Versicherung“, die im Falle eines Studienabbruchs die Arbeitsmarktrisiken abfedern können?

Für die empirischen Analysen nutzen wir die Lebensverlaufsdaten der NEPS-Erwachsenenkohorte (Startkohorte 6). Die Analysestichprobe umfasst 4.490 Personen, die mindestens einmal im Lebensverlauf an einer Fachhochschule oder Universität immatrikuliert waren. Diese Daten haben gegenüber vielen bisher genutzten Studienverlaufsdaten den Vorteil, dass es sich um retrospektive Lebensverlaufsdaten handelt, die detaillierte Informationen zu den vor-tertiären Bildungsverläufen, den Studienverläufen und zu den Lebensverläufen nach dem Austritt aus der Hochschule enthalten.

Unsere deskriptiven Befunde zeigen, dass die Untersuchung von Studienverläufen eine Unterscheidung zwischen endgültigen Studienabbrüchen und Studienwechseln erfordert, wie sie nur mit längsschnittlichen Individualdaten möglich ist. Insbesondere beim Vergleich von Studierenden mit und ohne vor-tertiärer Berufsausbildung fällt auf, dass das Erststudium von Studierenden mit vor-tertiärer Berufsbildung wesentlich seltener abgebrochen wird. Blickt man jedoch auf die Entscheidung, ein weiteres Studium aufzunehmen oder die Hochschule endgültig zu verlassen, kehrt sich dieser Zusammenhang um: Wurde bereits vor dem Studium eine Ausbildung abgeschlossen, ist der endgültige Studienabbruch deutlich häufiger als ein Studienwechsel und die Wahrscheinlichkeit, einen Abschluss zu erreichen, damit deutlich geringer. Insgesamt erreichen die Studierenden mit beruflicher Ausbildung allerdings etwa gleich häufig einen Studienabschluss wie die Studierenden, die direkt in die Hochschule eingetreten sind. Daraus lässt sich ableiten, dass die Berufsausbildung im Hochschulstudium eine ambivalente Rolle spielt: die fachlichen Grundlagen, die in der Ausbildung vermittelt werden, scheinen im Studium tatsächlich eine hilfreiche Ressource zu sein, während die formale Qualifikation, die mit dem beruflichen Abschluss einhergeht, auch einen starken Pull-Faktor in den Arbeitsmarkt darstellt und Studienabbrüche unter bestimmten Bedingungen womöglich begünstigt.

Die zweite Forschungsfrage betrachtet vor allem die Übergänge von Studienabbrechern in den Arbeitsmarkt. Auch hier steht die Rolle der vor-tertiären beruflichen Ausbildung im Mittelpunkt. Beim Vergleich des Verbleibs von Studienabbrechern mit und ohne vor-tertiäre Berufsausbildung stellen wir fest, dass Abbrecher ohne berufliche Ausbildung häufig nach dem Verlassen der Hochschule eine Berufsausbildung beginnen, während Abbrecher mit vor-tertiärer Berufsausbildung auf diesen Schritt verzichten und insgesamt schneller in eine qualifizierte Berufstätigkeit übergehen.

Insgesamt stellen wir fest, dass die vor-tertiäre Berufsausbildung durchaus ein Weg zum erfolgreichen Hochschulstudium sein kann. Insbesondere für Menschen, die erst im zweiten Bildungsweg eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, öffnet das berufliche Bildungswesen in Deutschland inzwischen wichtige Bildungsoptionen.

Fact sheet

Finanzierung: 
DFG
Laufzeit: 
2012 bis 2016
Status: 
beendet
Datenart: 
National Educational Panel Study (NEPS)
Geographischer Raum: 
Deutschland

Veröffentlichungen