Der Präsidentschafts-Effekt. Das Verhalten von EU-Mitgliedsstaaten in der Rotierenden EU-Ratspräsidentschaft und sein Einfluss auf die EU-Entscheidungsfindung
Alle sechs Monate wechselt die Präsidentschaft des Ministerrats der Europäischen Union (EU) zu einem anderen Mitgliedsstaat, und es existieren Hinweise darauf, dass Mitgliedsstaaten in der Vorbereitung auf und während ihrer Amtszeit teilweise ihr Abstimmungsverhalten und ihre Politikpositionen in einer Weise verändern, die den etablierten theoretischen Erwartungen nicht entspricht. Die Ratspräsidentschaft hat sich in den letzten 60 Jahren von einem rein administrativen Vorsitz zu einer Schlüsselrolle im Rahmen des EU Entscheidungsprozesses mit Verantwortung für Repräsentation, Mediation und Agenda-Setting weiterentwickelt. Dieses Projekt untersucht daher den Einfluss der sich wandelnden Rolle(n) der Ratspräsidentschaft im Kontext des Regierens im Mehrebenensystem der EU auf Verhalten und Politikpositionen der amtierenden Mitgliedsstaaten, um zu bestimmen, inwieweit das Innehaben der Ratspräsidentschaft Veränderungen in den Politikpositionen und im Verhalten von Ratsmitgliedern erklären kann, wo andere Faktoren, inklusive (Macht-) Ressourcen, relative Positionen der relevanten Akteure, Salienz und (andere) Institutionen dafür nicht ausreichen. Der Aufbau eines neuen, und des ersten, Datensatzes der Gesamtheit der Ratspräsidentschaften (114 Fälle bis 2015) bildet die Grundlage eines systematischen Vergleichs der facettenreichen historischen Fälle durch die Nutzung einer Kombination verschiedener methodischer Ansätze: Qualitative Comparative Analysis (QCA), wo nötig ergänzt durch Fallstudien, erfasst die nicht quantifizierbaren Aspekte der Ratspräsidentschaften, während statistische Analysen für quantitative Aspekte und einige alternative Erklärungsfaktoren (wie Wirtschaftsleistung und andere Machtressourcen) herangezogen werden können. Ziel des Projekts ist es, diejenigen Kombinationen von strukturellen, institutionellen und ideationellen Faktoren zu identifizieren, die (Veränderungen in) Politikpositionen und Verhalten der EU Mitgliedsstaaten in der Ratspräsidentschaft erklären können.
Das Projekt befindet sich derzeit in der Vorbereitungsphase in Erwartung einer Finanzierungsentscheidung der DFG, nachdem der Projektantrag im Juli 2015 eingereicht wurde. Zu den Vorbereitungen gehören die Planung und Anpassung von Forschungszeiträumen und Konferenzen in Antizipation des Entscheidungstermins, inklusive der Einreichung von Konferenzpapiervorschlägen zu den vorgegebenen Abgabefristen. Hinzu kommt die Identifizierung zusätzlicher potentieller internationaler Kooperationspartner zur Abdeckung verschiedener Ratspräsidentschaften sowie laufende konzeptionelle Arbeit für das Codebook des Datensatzes, der den Kern des Projekts darstellt.