Die Governance von Aktivierungspolitiken in Europa: Unterschiedliche Antworten auf gemeinsame Herausforderungen?
Seit Mitte der 1990er Jahre zeichnet sich in europäischen Wohlfahrtsstaaten eine politisch gewollte Verschiebung von passiver zu aktiver und aktivierender Arbeitsmarktpolitik ab. In einem ersten Schritt verglich und kontrastierte dieses Projekt systematisch die Reform-Agenden, die politischen Entscheidungen (Instrumente) und den Wandel in der Policy-Governance (Organisation der öffentlichen Arbeitsverwaltung, ÖAV) und deren Umsetzung in EU-Mitgliedsstaaten. Besonderes Augenmerk fiel dabei auf die Auswirkungen der globalen Finanzmarktkrise auf Regierungsagenden und die damit zusammenhängenden Entscheidungen hinsichtlich Policy und Governance. In einem zweiten, teilweise überlappenden Schritt eruierte dieses Projekt, warum sich EU Mitgliedsstaaten in manchen Entwicklungen weiterhin unterscheiden, aber in anderen aneinander annähern.
In einer Reihe von Papieren wurde gezeigt, dass (a) die Aktivierungsagenda sich während der Krise nicht nur fortsetzte, sondern sich sogar noch verstärkte; (b) viele Mitgliedsstaaten Schwierigkeiten haben, die Ziele der Agenda finanziell adäquat zu untermauern, was dann zu einer einseitigen Betonung von sogenannten Push-Faktoren und weniger zu einer Politik sozialer Investition führte; und (c) ÖAVen sich als wichtige Dienstleister für Arbeitssuchende und Leistungsempfänger re-etablierten. Es wurde offensichtlich, dass ÖAVen einerseits verstärkt auf moderne Management-Techniken und elektronische Dienstleistungen setzen, was wiederum oft infolge stark eingeschränkter Haushalte geschah. Andererseits aber lässt sich kein umfassender, aber allgemein erwarteter Trend hin zu Dezentralisierung, Dekorporatisierung und Privatisierung identifizieren. In der Tat lassen sich einige Beispiele der Rezentralisierung (z.B. Finnland, Polen oder Spanien) und der verstärkten Einbindung der Sozialpartner konstatieren (z.B. Deutschland oder die Niederlande), wobei Irland einen Sonderfall darstellt, da dort die Sozialpartner infolge der neuesten ÖAV-Reformen keinerlei institutionalisiertes Mitspracherecht mehr genießen. Auch wurde gezeigt, dass Privatisierungstendenzen in der Regel, mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, als Instrument zur Erhöhung bzw. Ergänzung von öffentlichen Kapazitäten und nicht zur Verdrängung öffentlicher Anbieter genutzt wird.
Zur Erklärung dieser Konvergenz- bzw. Divergenzprozesse sind „rationale“ Ansätze, die von eindeutig definierbaren Akteurspräferenzen ausgehen, welche dann in Machtkämpfen umgesetzt werden, nur eingeschränkt hilfreich. Vielmehr hat sich in diesem Bereich gezeigt, dass sich Akteure oftmals zunächst die Frage stellen, welche Mittel überhaupt angemessen sind, um potenziell konfligierende Ziele wie wirtschaftliche Effizienz, Beschäftigungswachstum und soziale Gerechtigkeit parallel zu erreichen. Ein historisch orientierter, pragmatisch-konstruktivistischer Ansatz, der auf ideelle Verwurzelungen, institutionelle Pfadabhängigkeiten und Politikdiffusion eingehen kann, hat sich hierbei als besonders hilfreich erwiesen.