Freundschaft und Gewalt im Jugendalter

Fragestellung/Ziel: 

Das Projekt "Freundschaft und Gewalt im Jugendalter" betrachtet die Entwicklung von Gewaltdelinquenz Jugendlicher. Es zielt vor allem auf ein tieferes Verständnis ihrer handlungstheoretischen Determinanten und der Bedeutung sozialer Netzwerke hin. Die bisherige Forschung hat die Zustimmung zu gewaltlegitimierenden Normen und Freundschaften mit devianten Gleichaltrigen als zwei hauptsächliche Korrelate von Jugendgewalt identifiziert. Weitgehend offen ist jedoch, auf welche Weise derartige Normen mit anderen Determinanten von Gewalt zusammenwirken (z.B. Anreizen, Gelegenheiten oder Selbstkontrolle), wie sich dieses Zusammenspiel handlungstheoretischer Determinanten in unterschiedlichen Peergroups entfaltet und wie genau Gleichaltrige über Prozesse des sozialen Einflusses und der differentiellen Assoziation relevant werden. Unser Projekt verwendet integrative Handlungstheorien (Wikströms “Situational Action Theory of Crime Causation” sowie das Modell der Frame-Selektion von Esser und Kroneberg) und Längsschnitt-Modelle der Ko-Evolution von Netzwerken und Verhalten, um die zu Grunde liegenden Mechanismen zu untersuchen. Die empirische Basis des Projekts besteht aus einer Panelstudie unter Schülerinnen und Schülern in fünf Städten des Ruhrgebiets (Herten, Gelsenkirchen, Gladbeck, Marl, Recklinghausen).

Das Projekt wurde am MZES initiiert und die ersten beiden Erhebungswellen wurden vom MZES aus koordiniert. Seit April 2015 ist das Projekt am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Universität zu Köln angesiedelt. Die Welle 1 umfasste ca. 2.600 Schüler/innen der 7. Jahrgangsstufe in 122 Schulklassen, die Welle 2 ca. 2.800 Achtklässler/innen in 129 Schulklassen. Die Wellen 3 (2015) und 4 (2016) laufen bzw. stehen noch aus.

Erste Analysen zeigen, dass die Verbreitung gewaltlegitimierender Normen in Schulklassen beeinflusst, wie Jugendliche auf unterschiedlich starke Provokationen reagieren. Die Ergebnisse stützen ein Zwei-Prozess-Modell von Jugendgewalt, nach dem einige Jugendliche strategisch Gewalt ausüben, um sozialem Konformitätsdruck zu genügen, während andere Jugendliche spontan auf Basis eigener starker Gewaltnormen handeln. Zudem erbrachten weitere Analysen bereits neue Einsichten darin, auf welche Weise die Selbstkontrolle und Risikoneigung von Jugendlichen den Zusammenhang zwischen subjektiver Anfälligkeit für Provokationen und früherem Gewalthandeln moderieren (Schulz 2015, Journal of Quantitative Criminology).

Das Gros der Analysen auf Basis der fortlaufenden Panelstudie ist für die kommenden Jahre geplant, insbesondere auch die Längsschnitt-Analysen vollständiger Netzwerkdaten. Da das Jugendalter eine wichtige Entwicklungsphase sowohl für soziale Beziehungen als auch für normative Einstellungen und Verhaltensweisen darstellt, verspricht das Projekt Erkenntnisse, die auch zur Verbesserung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen beitragen können.

Fact sheet

Finanzierung: 
DFG, MZES
Laufzeit: 
2010 bis 2015
Status: 
beendet
Datenart: 
Primärerhebung
Geographischer Raum: 
Deutschland

Veröffentlichungen

Bücher

Kroneberg, Clemens (2011): Die Erklärung sozialen Handelns. Grundlagen und Anwendung einer integrativen Theorie. Wiesbaden: VS Verlag. [Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften] mehr