Gesellschaftliche Konflikte und Dynamiken des Parteienwettbewerbs in der Migrations- und Integrationspolitik
Das Gelingen der repräsentativen Demokratie hängt davon ab, dass politische Repräsentant*innen die Präferenzen der Bürger*innenschaft hinreichend vertreten (substantielle Repräsentation) und dass die Bürger*innenschaft diese Vertretung auch als zufriedenstellend wahrnimmt (subjektive Responsivität). Dabei tragen politische Parteien als Mittlern zwischen Gesellschaft und politischem System entscheidend zum Erfolg der demokratischen Repräsentation bei. Mit der Politisierung der Zuwanderung im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ sind sie in ihrer Vermittlungsleistung vor große Herausforderungen gestellt. Die Verarbeitung gesellschaftlicher Konflikte durch die Parteiendemokratie ist scheinbar prekär geworden: Auf der einen Seite sind die Ansichten der Bürger*innen ohne Migrationshintergrund vielfältiger und kontroverser geworden. Auf der anderen Seite verlangt die politische Integration der zugewanderten Menschen danach, dass auch ihre distinkten Positionen und Repräsentationsforderungen von politischen Akteuren, mithin von den Parteien aufgegriffen werden.
Im Lichte dieser Herausforderungen der Demokratie untersucht unser Forschungsprojekt, inwiefern die Positionen und Themenaufmerksamkeit der Parteien mit Blick auf Integration und Migration die vielfältigen Präferenzen der Bevölkerung abbilden und welche Konsequenzen aus möglichen Repräsentationslücken für die Unterstützung der Demokratie und die Konfiguration des Parteiensystems resultieren. Dem Forschungsdesign legen wir ein ausdifferenziertes Konzept demokratischer Repräsentation zugrunde, welches wir mit einer facettenreichen Perspektive auf (autochthone und allochthone) Bürger*innenschaft und politische Repräsentant*innen empirisch beleuchten. Mit der kombinierten Anwendung etablierter (z. B. Surveyforschung) und neuer Methoden (computerunterstützte Textanalyse / computational social science) soll eine hinreichende Beleuchtung des komplexen Untersuchungsgegenstandes erreicht werden. Unsere Forschungsergebnisse sollen schließlich dabei helfen, die politischen Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft in Deutschland besser zu verstehen und durch geeignetes politisches Handeln zu adressieren.
Im vergangenen Jahr lag der Fokus des Projekts auf zwei Schwerpunkten. Zum einen war dies die Auswertung der bereits erhobenen Daten. Inhaltlich wurde dabei die Salienz von migrationsspezifischen Themen in Bundestagsdebatten sowie der Zusammenhang eines Migrationshintergrunds und der persönlichen Einstellungen zu wichtigen politischen Themen analysiert. Diese Ergebnisse wurden auf Konferenzen präsentiert und zur Publikation in Fachjournals aufbereitet. Zum anderen befasste sich das Projekt mit der Konzeption und Durchführung einer Wiederholungsbefragung. Dazu wurde zunächst der bestehende Fragebogen angepasst, bevor die Befragung in der zweiten Jahreshälfte durchgeführt wurde.