Klimawandel und Arbeit im Wandel: Chancen und Herausforderungen für Interessenvertretungen
Die öffentliche Debatte um den Klimawandel spiegelt ein hohes Maß an Polarisierung in der Gesellschaft wider. Als institutionelle Akteure, die politische Entscheidungen beeinflussen können, befinden sich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände mitten in diesem Spannungsfeld. Sie sind gezwungen, ihre Interessen zwischen dem gesellschaftlichen Interesse an einer erfolgreichen Klimapolitik und dem einhergehenden Strukturwandel, der in wichtigen Wirtschaftsbereichen Arbeitsplätze und Unternehmensgewinne bedroht, zu verorten. Das Projekt widmet sich der Frage, wie sich Interessenverbände im Feld der Klimapolitik positionieren und welche Strategien sie wählen, um Chancen und Herausforderungen ins Gleichgewicht zu bringen.
Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände richten ihre Positionen bezüglich politischer Initiativen sowohl auf mikro- als auch auf makroökonomischer Ebene vor allem nach wirtschaftlichen Erwägungen aus. Gewerkschaften müssen zwar auch die wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen, als Mitgliederorganisationen müssen sie aber auch große Teile der Bevölkerung mit ihren Positionen erreichen. Des Weiteren stehen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in einer Beziehung zueinander, die durch gegenseitige Abhängigkeit, in bestimmten Fällen sogar durch eine "konflikthafte Partnerschaft" (Müller-Jentsch 1993) gekennzeichnet ist, was wiederum Einfluss auf die Positionen dieser Organisationen zu politischen Fragen nimmt. Wir gehen davon aus, dass die öffentliche Meinung ein wichtiger Einflussfaktor insbesondere für gewerkschaftliche Positionen ist und dass eine breite Unterstützung der öffentlichen Meinung zusammen mit der Unterstützung einer Partnergewerkschaft für eine bestimmte Politik, den Standpunkt einer Wirtschaftsorganisation beeinflussen kann. In dem vorgeschlagenen Forschungsprojekt geht es darum, dieses Dreieck der gegenseitigen Beeinflussung von öffentlicher Meinung, Unternehmensorganisationen und Gewerkschaften zu untersuchen. In Anlehnung an den von Palier und Hassel (2020) entwickelten growth regime-Ansatz wollen wir untersuchen, inwieweit Interessenorganisationen, die in unterschiedliche Wachstumsregime eingebettet sind, Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel unterschiedlich angehen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden im Projekt Textanalysen auf Basis von Twitter-Daten und Experteninterviews mit Repräsentanten der größten Gewerkschaften und Unternehmensverbänden ausgewertet. Die Analyse der Interessenverbände wird durch Auswertungen geeigneter Sekundärdaten und eine eigene Datenerhebung zum Wandel klimapolitischer Einstellungen ergänzt. Das Projekt verfolgt einen vergleichenden Ansatz mit Blick auf drei europäische Länder. Jedes Land repräsentiert ein anderes Wachstumsregime. Der growth regime-Ansatz berücksichtigt die Rolle von Institutionen bei der Aushandlung von Neuausrichtungen von Wachstumsstrategien und insbesondere die Rolle der wichtigsten Produzenten. Wir kombinieren den growth regime-Ansatz mit Erkenntnissen aus dem Neo-Korporatismus (Schmitter 1979, Streeck und Kenworthy 2003), um die Positionen von Interessenorganisationen abzuleiten.