"(Not) Welcome to Digital Germany"? Ursachen und Mechanismen von Cyber-Diskriminierung
Heutzutage verbringen viele Menschen einen großen Teil ihrer Zeit im Internet. Dort tauschen sie sich untereinander aus und navigieren die zahlreichen Wege des sozialen Miteinanders. Folgend gehen die Untersuchungen davon aus, dass sich Online-Nutzer*innen ähnlich verhalten wie bei Offline-Interaktionen, insbesondere wenn es um Ausgrenzung oder die Verunglimpfung anderer geht. Konkret wurde im Forschungsprojekt untersucht, ob situative Umstände Unterschiede zwischen Online- und Offline-Umgebungen erklären können und wie diese Mechanismen zur alltäglichen Diskriminierung im Internet beitragen. Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) im Rahmen des Forschungsverbundes Diskriminierung und Rassismus (FoDiRa) geförderte Projekt hatte zum Ziel, eine Forschungsstrategie zur Erklärung der situativen Ursachen von Cyber-Diskriminierung zu entwickeln.
Das Projekt baute auf den Mechanismen der Situational Action Theory (SAT) auf und untersuchte, wie situative Faktoren wie wahrgenommene Bedrohungen oder Fairnessnormen diskriminierendes Verhalten in digitalen Räumen beeinflussen. Außerdem wurde untersucht, welche Rolle die Kategorisierung in eine Gruppe und eine andere Gruppe bei der Online-Diskriminierung spielt. Das Projekt postulierte, dass Diskriminierung nicht nur zwischen ethnischen Mehrheiten und Minderheiten, sondern auch innerhalb von Minderheitengruppen stattfindet. Durch die Analyse dieser Mechanismen versuchte das Projekt zu erklären, wie digitale Umgebungen in Bezug auf diskriminierendes Verhalten Offline-Räume sowohl widerspiegeln als auch von ihnen abweichen.
Im Rahmen des Projekts führte das Forschungsteam eine Reihe von Umfrageexperimenten durch, bei denen gezielt Nutzer*innen von Facebook, Instagram und Reddit befragt wurden. Vor der Hauptstudie entwickelte und testete das Team realistische, aber allgemein anwendbare Szenarien und erstellte ein spezielles Erhebungsinstrument, um eher harmloses, aber doch diskriminierendes Verhalten zu erfassen. Dieses Instrument kam sowohl in einmaligen als auch in wiederholten Umfragen zum Einsatz, wodurch über 1.300 Teilnehmende erreicht wurden. Im Dezember 2022 und Juli 2023 wurden der Studienaufruf über die Werbetools von Meta und Reddit verbreitet, eine in der Forschungsgemeinschaft weithin akzeptierte Methode.
Die Ergebnisse des Pretests wurden auf mehreren Workshops vorgestellt und führten zu der Publikation „Wer wird auf sozialen Medien diskriminiert und aus welchen Gründen? Diskriminierung auf Facebook, Instagram und Reddit“, die in der hauseigenen Publikationsreihe ‚MZES Fokus‘ erschienen ist.
Eine der wichtigsten methodischen Erkenntnisse des Projekts ist, dass die Perspektive der 2. Person in faktoriellen Befragungen der Perspektive der 3. Person in der Regel überlegen ist, wenn es darum geht, soziale Erwünschtheit und unintendiertes Priming zu reduzieren. Dies liegt daran, dass die Perspektive der 2. Person für die Befragten ein intensiveres Erlebnis schafft, was zu wahrheitsgetreueren und weniger voreingenommenen Antworten führt. Bei sensiblen Themen kann jedoch die Perspektive der 3. Person vorzuziehen sein, da sie dazu beiträgt, unbeabsichtigte Priming-Effekte zu verringern und potenziell die Verzerrung durch soziale Erwünschtheit zu minimieren.