Politischer und religiöser Extremismus: Explizite und implizite Einstellungen messen und erklären
Während bereits viel Forschung über rechtspopulistische Parteien und populistische Einstellungen vorliegt, gibt es überraschend wenig Forschung über politischen und religiösen Extremismus, der nicht nur—wie Populismus—die liberalen Formen der Demokratie ablehnt, sondern die Demokratie insgesamt. Solche extremistischen Einstellungen finden sich bei der politischen Rechten und Linken, aber auch bei religiösen Gruppen, die religiöse Regeln höher gewichten als die Verfassungen ihrer Länder. So haben beispielsweise viele europäische Länder in den letzten zwei Jahrzehnten eine Zunahme ihrer muslimischen Bevölkerung erlebt, von denen ein erheblicher Teil auch als religiöse Extremisten definiert werden kann. Darüber hinaus wissen wir nicht, ob die Ursachen für die verschiedenen Erscheinungsformen von Extremismus praktisch die gleichen sind, unabhängig von der Ideologie oder Religionszugehörigkeit, oder ob sie stark vom jeweiligen ideologischen Kontext abhängen. Und schließlich erleben wir auch eine wachsende politische Kluft zwischen Mainstream- und Randparteien in ganz Europa. Bisher wissen wir nur sehr wenig darüber, wie solche politischen Spannungen sich in soziale Realitäten übertragen und wie Individuen auf politische Polarisierung reagieren.
Das erste Ziel dieses Projekts ist es, ein neuartiges umfragebasiertes Instrument zu entwickeln, das es uns ermöglicht, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen des politischen und religiösen Extremismus zu messen. Angesichts des Problems der sozialen Erwünschtheit in diesem Bereich schlagen wir außerdem vor, implizite extremistische Einstellungen mittels eines Impliziten Assoziationstests zu messen. So können wir untersuchen (1) wie man Extremismus auf der Einstellungsebene in der Gesellschaft konzeptualisiert und misst und das Potenzial von Links-, Rechts- sowie christlich- und muslimisch-religiösem Extremismus abschätzt. Das zweite Ziel ist es, erklärende Faktoren extremistischer Ansichten zu vergleichen und zu analysieren, wie verschiedene Formen des Extremismus sich durch ähnliche oder divergierende Faktoren erklären lassen. Daher können wir beurteilen (2) wie sich Ursachen und Folgen dieser Extremismen zueinander verhalten. Schließlich ist das dritte Ziel, die Beziehung zwischen diesen extremistischen Gruppen sowie zwischen Extremisten und Nicht-Extremisten zu erforschen. Auf diese Weise können wir untersuchen (3) wie Extremisten von anderen wahrgenommen werden und inwieweit sich die bestehenden Spannungen zwischen den politischen Parteien auf der Individualebene widerspiegeln und somit soziale Spannungen darstellen, die im täglichen Leben relevant werden. Um unsere Hypothesen zu testen, werden in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien pro Land je zwei Umfragen mit 500 Muslimen und 1.500 im Inland geborenen Nicht-Muslimen durchgeführt.
2022 haben wir unsere erste Haupterhebung in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien durchgeführt. Das Hauptziel der Umfrage war es, neue Erhebungsinstrumente zur Messung expliziter und impliziter extremistischer Einstellungen zu testen. Wir haben einen ersten Artikel fertiggestellt, in dem wir einen Impliziten Assoziationstest (IAT) zur Messung allgemeiner impliziter extremistischer Einstellungen entwickelt haben. Wir haben herausgefunden, dass implizite extremistische Einstellungen positiv, aber nur schwach mit bestehenden expliziten Messungen korreliert sind. Dies deutet darauf hin, dass implizite Messungen andere Teile der Bevölkerung erfassen, d.h. diejenigen, die entweder ihre Einstellungen nicht angeben wollen oder die ihre Einstellungen nicht kennen. Gleichzeitig haben wir begonnen, neue Erhebungsinstrumente zur Messung expliziter Formen extremistischer Einstellungen zu validieren. Eines der Ziele dieser Analysen ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Rechts-, Links- und religiösem Extremismus zu ermitteln.