Räumliche Modelle der Parteienkonkurrenz angewandt auf Bundestagswahlen

Fragestellung/Ziel: 

Die personalisierte Verhältniswahl bei Bundestagswahlen liefert den Anwendungsfall für die räumliche Theorie des Parteienwettbewerbs. Um die Wirkungsweise des Wahlsystems zu verstehen, benötigt man ein Gesamtkonzept des Wahlprozesses auf der Mikroebene des Wählerverhaltens und der Makroebene des Parteienwettbewerbs. Ideologische und Politik-Nähe zwischen Wählern und Parteien und Kompetenzeinschätzung (Valenz) der Parteien und der Direktkandidaten motivieren Kandidaten- und Listenwahl. Zielfunktionen der Parteien wie Stimmenmaximierung bzw. Stimmenabstand von Konkurrenten bestimmen die Wettbewerbsstrategien. Für die empirischen Analysen wurden sowohl Wählerumfragen zu einzelnen Bundestagswahlen, insbesondere der GLES im Zeitraum 2009 bis 2017, als auch die vom Bundeswahlleiter veröffentlichten Bundes- und Wahlkreisergebnisse verwendet.

Hauptunterschiede des deutschen Mischwahlsystems zu reinen Verhältniswahlsystemen sind erstens dem Einfluss der Kandidatenwahl auf die Wahlkreiswähler geschuldet, die stark von der Valenz der Direktkandidaten abhängt. Zweitens kann die Partei des Wahlkreissiegers mit Bonus-Zweitstimmen von Wählern rechnen, die sich in erster Linie zwischen den großen Parteien entscheiden, so dass ein Bonus für die Partei des Wahlkreissiegers ein Malus für die andere große Partei ist. Und drittens sind Wahlkreissiege keine rein lokalen Ereignisse, sondern hängen stärker als die Erfolge der Listenkandidaten von den nationalen Parteikompetenzen ab. Wir ziehen aus unseren Analysen die Schlussfolgerung, dass das Mischwahlsystem über first past the post (Mehrheitswahl) in den Wahlkreisen den Parteiendualismus und den Einfluss der Wähler auf die Regierungsbildung stärkt, während die Verhältniswahl auch dem Politikangebot kleinerer Parteien Chancen bietet.

Fact sheet

Finanzierung: 
DFG
Laufzeit: 
2012 bis 2020
Status: 
beendet
Datenart: 
Deutsche Bundestagswahlstudien seit 1980
Geographischer Raum: 
Deutschland

Veröffentlichungen

Bücher

Pappi, Franz Urban, Anna-Sophie Kurella und Thomas Bräuninger (2021): Parteienwettbewerb und Wählerverhalten im deutschen Mischwahlsystem. Wiesbaden: Springer VS. [Wahlen und politische Einstellungen] mehr
Kurella, Anna-Sophie (2017): Issue Voting and Party Competition. The Impact of Cleavage Lines on German Elections between 1980-1994. Cham: Springer. [Contributions to Political Science] mehr