Selbstkonzept und Persönlichkeit aus soziokultureller Motivperspektive
Das Selbstkonzept und die Persönlichkeit eines Menschen besitzen weitreichende Auswirkungen auf sein Denken und Verhalten, wie zum Beispiel auf seine Weltanschauung (Religiosität, politische Einstellungen) und seine Prosozialität (gesellschaftliches Engagement, ehrenamtliche Arbeit). Solche Auswirkungen des Selbstkonzepts und der Persönlichkeit fallen jedoch in unterschiedlichen Kulturen mitunter sehr unterschiedlich aus. Zum Beispiel existiert ein relativ starker Zusammenhang zwischen einem ausgeprägt kommunal-femininen Selbstkonzept und Religiosität in der Türkei, während sich ein solcher Zusammenhang in Schweden überhaupt nicht findet. Derartige kulturelle Unterschiede können derzeit theoretisch nicht erklärt werden und stellen somit eine Hauptbedrohung für die prädiktive Validität des Selbstkonzepts und der Persönlichkeit dar. Unsere Forschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Emmy-Noether Programm gefördert und entwickelte eine Theorie, die solche kulturellen Unterschiede erklären kann.
Im Speziellen nimmt unsere “Sociocultural Motives Perspective” (SMP) an, dass gewisse Selbstkonzepts- und Persönlichkeitsdimensionen (z.B. Communion, Verträglichkeit) das Bedürfnis hervorrufen, mit dem soziokulturellen Strom zu schwimmen (Motiv nach soziokultureller Assimilation). Daher sollten diese Selbstkonzepts- und Persönlichkeitsdimensionen menschliches Denken und Verhalten dann besonders stark vorhersagen, wenn dieses Denken und Verhalten soziokulturell normativ ist. Aus dem gleichen Grund sollten diese Selbstkonzepts- und Persönlichkeitsdimensionen menschliches Denken und Verhalten dann besonders schwach (oder sogar negativ) vorhersagen, wenn dieses Denken und Verhalten soziokulturell nicht-normativ ist. Die SMP nimmt zudem an, dass andere Selbstkonzepts- und Persönlichkeitsdimensionen (z.B. Agency, Offenheit) das Bedürfnis hervorrufen, gegen den soziokulturellen Strom zu schwimmen (Motiv nach soziokulturellem Kontrast). Daher sollten diese Selbstkonzepts- und Persönlichkeitsdimensionen menschliches Denken und Verhalten dann besonders stark vorhersagen, wenn dieses Denken und Verhalten soziokulturell nicht-normativ ist. Aus dem gleichen Grund sollten diese Selbstkonzepts- und Persönlichkeitsdimensionen menschliches Denken und Verhalten dann besonders schwach (oder sogar negativ) vorhersagen, wenn dieses Denken und Verhalten soziokulturell normativ ist.
Im Verlauf des Projekts führten wir eine ganze Reihe unterschiedlichster Studien durch, um die SMP ganzheitlich zu testen. Viele dieser Studien waren experimenteller Natur und erlaubten somit sowohl kausale Schlussfolgerungen als auch einen hohen Grad an Kontrolle über die verwendeten Variablen. Andere Studien nutzten große, kulturvergleichende Paneldaten und erlaubten somit Aussagen mit besonders hoher ökologischer Validität. Die Ergebnisse waren trotz der sehr unterschiedlichen Methodik (Experimente in einer einzigen Kultur vs. kulturvergleichende Paneldaten) hoch konsistent und untermauerten die SMP nachdrücklich.
Der Mehrwert der SMP liegt darin, dass sie kulturelle Unterschiede in den Effekten des Selbstkonzepts und der Persönlichkeit erklären kann. Somit kann die SMP dazu beitragen, die angeschlagene prädiktive Validität des Selbstkonzepts und der Persönlichkeit wiederherzustellen.