Sozialer Status und die Ausbreitung von Pandemien

Fragestellung/Ziel: 

In den Sozialwissenschaften wird gemeinhin angenommen, dass Pandemien sich insbesondere unter Personen mit niedrigerem sozialen Status ausbreiten. Wir stellen dies infrage und stellen die Hypothese auf, dass diese Annahme nur in den späteren Phasen einer Pandemie zutrifft. In der kritischen, frühen Phase einer Pandemie sollte sich diese hingegen insbesondere unter Personen von höherem sozialen Status ausbreiten.

Unser phasen-sensitives Modell der status-abhängigen Pandemieausbreitung argumentiert wie folgt: In späteren Phasen der Pandemie breitet sich diese vor allem unter Personen mit niedrigerem sozialen Status aus, weil zu dieser Zeit bereits Infektionspräventionsmaßnahmen in Kraft sind. Menschen mit höherem sozialen Status haben den Luxus, sich konsequenter an diese Normen halten zu können, als Menschen mit niedrigerem sozialen Status (z.B. ist es in status-niederen Berufen häufig schwerer, physische Distanz zu wahren). In der frühen Phase einer Pandemie sollte diese aber besonders durch Menschen mit höherem sozialen Status getrieben werden. Der Grund: Zu diesem Zeitpunkt greifen in der Regel noch keine Infektionspräventionsmaßnahmen und Menschen mit höherem sozialen Status sind oftmals diverser vernetzt und grundsätzlich mobiler. Das setzt sie einer besonderen Gefahr aus, einen neuen Virus zu bekommen und zu verbreiten. In einer vorläufigen Studie mit zwei Pandemien (COVID-19 und Spanische Grippe von 1918/19) und drei Ländern (USA, England, Deutschland) haben wir konsistente Evidenz für diese phasen-sensitive Hypothese gefunden. Um jedoch ein tieferes theoretisches Verständnis zu erlangen und belastbare Empfehlungen für Infektionspräventionsmaßnahmen abzuleiten ist weitere Forschung dringend notwendig. Das vorliegende Projekt adressiert hierzu die folgenden drei grundlegenden Forschungsfragen. (FF1) Die bisherige Evidenz basiert auf regionalen COVID-19 Daten. Lassen sich die Befunde auf die Individualebene verallgemeinern? (FF2) Die bisherige Evidenz bezieht sich auf Länder mit einem vergleichsweise frühen Pandemiebeginn. Lassen sich die Befunde auf Länder mit späterem Pandemiebeginn verallgemeinern – also Länder, die mehr Zeit hatten, um sich auf die Pandemie vorzubereiten? (FF3) Die bisherige Evidenz bezieht sich auf die erste Welle der COVID-19 Pandemie. Lassen sich die Befunde auch auf die zweite Welle verallgemeinern—also eine Welle, in welcher das Virus für keine Bevölkerungsgruppe mehr neu ist?

Arbeitsstand: 

Das Projekt startete offiziell im April 2022. Aktuell werden notwendige Daten aus verschiedenen Quellen (Paneldaten, regionale Archivdaten, „Web Scraping“-Daten) gesammelt und die Forschungsdesigns zur Beantwortung der Forschungsfrage präregistriert. Sobald die Datensammlung sowie die Präregistrierungen abgeschlossen sind, werden Analysen durchgeführt und deren Resultate 2023 auf einer internationalen Konferenz vorgestellt.

Fact sheet

Finanzierung: 
DFG
Laufzeit: 
2021 bis 2023
Status: 
laufend
Datenart: 
SOEP, Web-gescrapte Daten eines Online-Friedhofs, offizielle regionale COVID-Daten von 18 Regierungsorganisationen
Geographischer Raum: 
International

Veröffentlichungen