Wohlfahrtsstaatliche Institutionen und sozialpolitische Einstellungen: neue Perspektiven für die vergleichende Wohlfahrtsstaatsanalyse

Fragestellung/Ziel: 

Entwickelte Wohlfahrtsstaaten werden in zunehmendem Maße mit Strukturreformen konfrontiert. Zentrale gesellschaftliche Institutionen verlieren dadurch ihre Selbstverständlichkeit und damit auch die über viele Jahre hinweg wahrgenommene individuelle Sicherheit in sozialen Krisensituationen. In dem Projekt wurde die Orientierung an sozialpolitischen Leistungssystemen (Gesundheits-, Familien- und Armutspolitik) über einen Vergleich von 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU-15) analysiert. Es wird gefragt, welche Konsequenzen mit dem angenommenen Akzeptanzverlust wohlfahrtsstaatlicher Institutionen verbunden sind. Unsere Analysen haben ergeben, dass Einstellungen zu Mindestsicherungssystemen u.a. von Kontextfaktoren wie der Großzügigkeit der Mindestsicherungsleistungen und der Arbeitslosenquote abhängen. Bei hoher Arbeitslosigkeit und geringen Leistungen fordern die Bürger verstärkt staatliche Verantwortung ein. Bei geringerer Arbeitslosigkeit sinkt die Unterstützung für eine starke Rolle des Staates. Ein hohes Leistungsniveau kann zu einer Polarisierung der öffentlichen Meinung, d.h. starken Unterschieden zwischen sozialen Gruppen, führen. Im Bereich Familienpolitik hängen die Einstellungen von Art und Umfang existierender familienpolitischer Leistungen ab. In Ländern mit großzügigen Leistungen, welche die Erwerbsbeteiligung von Frauen unterstützen, ist die Zufriedenheit am höchsten. Gleichzeitig empfinden Familien in diesen Ländern die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben als weniger problematisch. In den meisten Ländern und unabhängig vom institutionellen Kontext, sind finanziell bessergestellte Familien zufriedener und haben weniger Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In allen europäischen Staaten besteht eine hohe Zustimmung zu einer umfassenden Rolle des Staates in der Gesundheitspolitik. Demgegenüber ist hinsichtlich der Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrem Gesundheitssystem ein stärkerer Zusammenhang mit dem jeweiligen institutionellen Design festzustellen. In Gesundheitssystemen mit einem niedrigen Niveau der Gesamtausgaben, einer geringen Dichte an Allgemeinärzten und hohen privaten Zuzahlungen ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem deutlich niedriger. Hier ist außerdem eine hohe Ungleichheit zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu erkennen. Demgegenüber ist in Gesundheitssystemen mit einer langen Tradition einer Absicherung der gesamten Bevölkerung unabhängig vom beruflichen Status eine homogene Wahrnehmung und Bewertung des Gesundheitssystems durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zu erkennen. Länder mit hohen Ausgaben, einer hohen Allgemeinarztdichte und freier Arztwahl erhalten die höchste Zustimmung in der Bevölkerung aber weisen auch die größten Unterschiede zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auf.

Fact sheet

Finanzierung: 
DFG
Laufzeit: 
2006 bis 2009
Status: 
beendet
Datenart: 
Mikrodatenanalyse, Sekundäranalysen
Geographischer Raum: 
Westeuropa

Veröffentlichungen

Bücher

Mischke, Monika (2014): Public attitudes towards family policies in Europe : linking institutional context and public opinion. Wiesbaden: Springer VS. mehr
Marmor, Theodore, und Claus Wendt (Hrsg.) (2011): Reforming Healthcare Systems, Volume I. Cheltenham: Edward Elgar Publishing. mehr
Wendt, Claus, Monika Mischke und Michaela Pfeifer (2011): Welfare States and Public Opinion. Perceptions of Healthcare Systems, Family Policy and Benefits for the Unemployed and Poor in Europe. Cheltenham, UK, and Northampton, MA, USA: Edward Elgar. mehr
Wendt, Claus (2009): Krankenversicherung oder Gesundheitsversorgung? Gesundheitssysteme im Vergleich - 2. überarbeitete Auflage. Wiesbaden: VS Verlag. mehr
Wendt, Claus, und Christof Wolf (Hrsg.) (2006): Soziologie der Gesundheit. Wiesbaden: VS-Verlag. [Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; 46] mehr
Albert, Gert, Agathe Bienfait, Steffen Sigmund und Claus Wendt (Hrsg.) (2005): Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm. Tübingen: Mohr Siebeck. mehr
Wendt, Claus (2003): Krankenversicherung oder Gesundheitsversorgung? Gesundheitssysteme im Vergleich. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. mehr