Einwanderungsprozesse haben auch eine politische Dimension. Was Mark J. Miller bereits vor 25 Jahren angekündigt hatte, wurde nur langsam Realität: Migranten und ihre Nachkommen sind inzwischen aber auch in Deutschland zu politischen Akteuren geworden (Miller 1981). Ihre parlamentarische Präsenz ist seit 1990 stark angestiegen: Im Bundestag, in den Länderparlamenten und im Europaparlament (deutsche Abgeordnete) gibt es derzeit 65 Abgeordnete mit Migrationshintergrund. Noch sind es vorwiegend Migranten der ersten Generation, doch stieg in den vergangenen drei Jahren vor allem die Zahl der Abgeordneten zweiter Generation. Als Wähler, Kandidaten und als Abgeordnete zeigen Migranten und ihre Nachkommen bislang eine recht klare Präferenz für politisch linksgerichtete Parteien (Wüst 2002; Fonseca 2006; Messina 2007: 194-223; Wüst/Saalfeld 2009). Dies liegt auch daran, dass soziale Gerechtigkeit und politische Integration gerade für SPD, Grüne und Linkspartei traditionell nicht an ethnisch-kulturellen Grenzen Halt machen. Die bürgerlichen Parteien tun sich hier sichtlich schwerer. Zwar finden sich mittlerweile auch in ihren Reihen und insbesondere in den Städten einige Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation, doch Abgeordnete mit einem sichtbaren Migrationshintergrund und hier insbesondere türkeistämmige Abgeordnete gibt es in den Reihen von Union und FDP kaum. Inwieweit diese Unterrepräsentation bei den bürgerlichen Parteien nicht nur ein Effekt mangelnder Nachfrage seitens in Frage kommender Politiker, sondern auch ein Selektionseffekt der Parteien selbst ist, konnte im Rahmen dieser Abgeordnetenanalyse nicht geklärt werden. Betrachtet man die Arbeit der Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Bundestag, in den Länderparlamenten und im Europaparlament, dann zeigt sich eine insgesamt stärkere Präsenz in migrationsnahen Politikfeldern. Diese ist besonders stark bei Abgeordneten linker Parteien und bei Abgeordneten mit sichtbarem Migrationshintergrund ausgeprägt. Für den Bundestag konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass die schriftlichen Fragen von Abgeordneten mit Migrationshintergrund mehr Migrationsbezüge aufweisen als die Anfragen der Fraktionen und Arbeitsgruppen, an denen diese Abgeordneten selbst beteiligt waren. Insofern konnte auch hier eine besondere Bedeutung des Migrationshintergrunds für das politische Handeln im Parlament festgestellt werden. Dieser Befund schließt keinesfalls aus, dass einige Abgeordnete mit Migrationshintergrund, und hier vor allem diejenigen, die parlamentarisch Karriere gemacht haben, deutlich seltener migrationsspezifische Akzente setzen. Es ist natürlich auch möglich, dass Abgeordnete ohne Migrationshintergrund ähnliche Schwerpunkte setzen, vor allem wenn ihre Arbeitsschwerpunkte Migrations- oder Integrationspolitik sind oder sie Wahlkreise mit hohen Migrantenanteilen im Bundestag vertreten. Nur im Rahmen weiterer Kontrastgruppenanalysen lässt sich genau klären, ob von einer stärkeren Betonung von Migrationsthemen durch Abgeordnete mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Abgeordneten ohne Migrationshintergrund gesprochen werden kann.