Vor allem in parlamentarischen Regierungssystemen wird politische Repräsentation primär als Vertretung von Interessen durch verschiedene Parteien verstanden. Durch welche Personen Parteien vertreten werden, spielt im klassischen Modell parteipolitischer Repräsentation eine untergeordnete Rolle (Schmitt/Thomassen 1999: 13-16). Erst durch Parteien erhalten Personen eine Chance, Politik zu gestalten, und die meisten gewählten Politiker werden auch im parlamentarischen Prozess den Parteiinteressen gegenüber loyal handeln. Insofern macht es möglicherweise gar keinen Unterschied, ob Katholiken durch Katholiken, Frauen durch Frauen oder Migranten durch Migranten parlamentarisch vertreten werden. Viel wichtiger mag sein, dass unterschiedliche Parteien sich der Anliegen dieser und vieler anderer Personengruppen annehmen und sie im politischen Prozess vertreten. Kritiker dieses Modells führen etliche normativ-theoretisch Argumente an, die für eine mögliche Relevanz der Präsenz verschiedener sozialer Gruppen durch Angehörige dieser Gruppen selbst sprechen (Young 1990; Phillips 1995; Mansbridge 1999). Ein komplementäres Repräsentationsmodell, in dem nicht nur Parteien, sondern auch Personen politisch relevant sind (Phillips 1995: 24-25), sollte auch einem parteipolitisch dominierten Repräsentationsprozess besser entsprechen als eine Reduktion der Analyse auf die Repräsentation von Interessen durch Parteien. In diesem Licht werden in diesem Beitrag etliche empirische Befunde vorgestellt und diskutiert, die für oder gegen die Gültigkeit eines komplementären Repräsentationsmodells für die Migrantenrepräsentation sprechen. Dies geschieht insbesondere mit Blick auf Deutschland, wo möglich auch im Vergleich zu anderen Ländern.