Die parlamentarische Sozialisation ist ein interessanter Forschungsbereich, mit dem sich die politische Soziologie bisher jedoch nur am Rande beschäftigt hat. Die Verknüpfung der Daten der Deutschen Kandidatenstudien 2002 und 2005 erfüllt die formalen Voraussetzungen für eine Analyse möglicher Sozialisationseffekte, auch wenn die zur Verfügung stehenden Variablen viele Aspekte nur ansatzweise behandeln können. Dennoch wurde im Rahmen dieses Beitrags der Versuch unternommen, der parlamentarischen Sozialisation von Neuparlamentariern des 15. Deutschen Bundestages nachzugehen. Es zeigte sich, dass Einstellungen von Neuparlamentariern im Laufe einer Legislaturperiode Veränderungen unterliegen, die bei keiner der abhängigen Variablen in nur eine Richtung gehen. Zumeist erfolgte der größere Anteil der Änderungen in diejenige Richtung, die den Sozialisationserwartungen entsprach: Nach drei Jahren war ein größerer Teil der Neuparlamentarier der Ansicht, dass Volksbegehren zu schlechten Gesetzen führen, sie wurden konservativer, und die ideologische Distanz zur eigenen Partei nahm ab. Ferner kam es, vor allem bei der Links-Rechts-Position und der ideologischen Distanz, binnen dreier Jahre zu einer Konvergenz der Einstellungen. Diese und einige andere festgestellte Zusammenhänge sollten jedoch als Tendenzaussagen verstanden werden. Bei der maximal zur Verfügung stehenden Anzahl von hier 41 Fällen und der Annahme, dass Neuparlamentarier mindestens so oft Individualisten wie Gruppenangehörige sind, stößt jede Generalisierung schnell an ihre Grenzen.