Walter Müller, Reinhard Pollak
Bildung und soziale Mobilität in Deutschland

AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv, 2015: 9, Heft 1, S. 5-26
ISSN: 1863-8155 (print); 1863-8163 (online)

Der Beitrag untersucht die langfristige Entwicklung intergenerationaler sozialer Mobilität in Deutschland und wie diese vom Bildungserwerb in der Abfolge von Geburtskohorten (von 1925 bis 1974) beeinflusst ist. Dazu werden die Daten von über 30 seit Mitte der 1970er Jahre durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsumfragen aus verschiedenen Untersuchungsreihen (u. a. Zumabus, Allbus, Soep, Neps) harmonisiert und mit Hilfe log-linearer Modelle analysiert. Nach den Befunden hängt bei den jüngeren Geburtskohorten die im Erwachsenenalter erreichte eigene Klassenzugehörigkeit weniger von derjenigen ihrer Eltern ab als bei den älteren Kohorten. Die damit verbundene erhöhte soziale Durchlässigkeit zwischen der Klassenzugehörigkeit von Eltern und Kindern ist im Wesentlichen durch zwei bildungsbezogene Entwicklungen zustande gekommen. Erstens hängt der Bildungserwerb in den jüngeren Kohorten weniger stark von der Klassenzugehörigkeit der Eltern ab. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen Bildung und Beruf ist dann in den jüngeren Kohorten auch die selbst erreichte Klassenposition entsprechend weniger stark an die der Eltern gebunden. Zweitens ist der Positionserwerb der Kinder über diese bildungsvermittelte intergenerationale Abhängigkeit hinaus in aller Regel durch weitere sog. direkte Einflussprozesse von der Position der Eltern beeinflusst. Diese direkten Einflussprozesse sind bei Personen mit niedriger Bildung stärker ausgeprägt als bei Personen mit höherer Bildung. In den jüngeren Kohorten haben im Zuge der Bildungsexpansion die Bevölkerungsanteile mit niedriger Bildung zugunsten solcher mit höherer Bildung abgenommen. Als Folge der damit verbundenen veränderten Bildungsverteilung sind deshalb auch direkte Herkunftseinflüsse schwächer geworden und haben zusammen mit dem Abbau von Bildungsungleichheit zu erhöhter sozialer Durchlässigkeit zwischen den Generationen beigetragen.

The article investigates the long term development of intergenerational social mobility in Germany and how this development is related to educational attainment in successive birth cohorts from 1925 to 1974. To this aim, data of more than 30 representative population surveys carried out since the mid 1970es is harmonized and analysed using log-linear models. The results show that among members of the younger cohorts class position attained in adult life depends less on their parent’s class position than among older cohorts. This increase in intergenerational social fluidity is shown to derive from two education-related developments. First, in the younger cohorts educational attainment depends less on parental class, and because education strongly affects class position in adulthood the latter also depends less on parental class. Second, parental class usually influences respondent’s class also thru other, often called ‘direct effects’, independent of the education mediated influences. These direct effects tend to be stronger among individuals with low than those with high education. As, due to educational expansion, the younger cohorts include reduced proportions of people with low education and increased proportions with high education, also direct effects are lower among the younger than among the older cohorts. Thus, intergenerational social fluidity has increased both because of reduced inequality in educational attainment and reduced direct effects of class origin on class destination.