Birgit Becker
Der Einfluss der Bezugsgruppenmeinung auf die Einstellung gegenüber Ausländern in Ost- und Westdeutschland

Zeitschrift für Soziologie, 2005: 34, Heft 1, S. 40-59
ISSN: 0340-1804

In der Bezugsgruppentheorie ist schon lange bekannt, dass Wahrnehmungen und Bewertungen stark von Gruppeneinflüssen bestimmt werden. In diesem Beitrag wird der Einfluss der Bezugsgruppenmeinung zu Ausländern auf die Ausländerfeindlichkeit von Akteuren untersucht, wobei diese Beeinflussungswirkung insbesondere zwischen Ost- und Westdeutschland verglichen wird. Die Daten für die empirischen Analysen sind Teil des Projektes „Ethnische Grenzziehung und soziale Kontexte II“ des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung aus dem Jahr 2002. Es zeigt sich, dass die Bezugsgruppenmeinung ein wichtiger Prädiktor der Ausländerfeindlichkeit ist und dass dieser Bezugsgruppeneinfluss in der ostdeutschen Stichprobe signifikant größer ist als in der westdeutschen. Dieser Ost-West-Unterschied lässt sich auf die unterschiedliche Bedeutung alternativer sozialer Kontakte in den beiden Teilen Deutschlands zurückführen: Während sich ostdeutsche Befragte unabhängig von ihren sonstigen „weak ties“ sehr stark durch ihr Kernnetzwerk beeinflussen lassen, findet sich in der westdeutschen Stichprobe ein Bezugsgruppeneffekt nur bei den Befragten, die über keine alternativen sozialen Kontakte verfügen. Es wird die Möglichkeit diskutiert, dass sich in Ostdeutschland noch heute eine gewisse Distanz gegenüber „weak ties“, denen die Bürger in der DDR eher misstrauten, erhalten hat, während solche Kontakte in Westdeutschland „echte Alternativen“ zum Kernnetzwerk darstellen können.

It is a well-known phenomenon in reference group theory that perceptions and evaluations are strongly affected by group influences. This article analyses the impact of the reference group’s opinion about foreigners on the individuals’ attitudes towards them, thereby comparing the effect of that influence in East Germany and West Germany. The data used in the empirical analyses were collected in 2002 as part of the project “Ethnic Cleavages and Social Contexts II” at the Mannheim Centre for European Social Research (MZES). The opinion of the reference group turns out be an important determinant of xenophobic attitudes and this reference group influence is significantly stronger in the East German than in the West German sample. This East-West difference is attributable to the different meaning attached to alternative social contacts in the two parts of Germany: While East German participants are strongly influenced by their core network independently of their other “weak ties”, only those West German participants are affected by their reference group who have no alternative social contacts. The possibility is discussed that still today people in East Germany are dissociated from “weak ties”, which were rather distrusted in the GDR, while in West Germany such contacts can represent “genuine alternatives” to the core network.