Franz Urban Pappi
Partei- und Koalitionskriterien der österreichischen Wählerschaft für die Nationalratswahl 2006

Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2007: 36, Heft 4, S. 445-469

Ergebnis-orientiertes Wählen berücksichtigt die Folgen der eigenen Stimmabgabe für die Regierungsbildung. Das ist in Mehrparteiensystem generell schwierig und war bei der Nationalratswahl 2006 wegen der vielen plausiblen Regierungsoptionen besonders schwierig. Trotzdem haben die österreichischen WählerInnen Koalitionspräferenzen entwickelt. In dem Beitrag wird zunächst die Partei- und Koalitionskonstellation aus der WählerInnensicht insgesamt beschrieben und mit den politischen Einstellungen der Wählerschaft interpretiert. Dann interessiert das Verhältnis zwischen den Partei- und Koalitionspräferenzen bei den einzelnen WählerInnen, weil nicht einfach davon ausgegangen werden kann, dass letztere eine simple Folge der ersteren sind. Im dritten Schritt kann dann nachgewiesen werden, dass die Koalitionspräferenzen auch bei Kontrolle der Parteipräferenzen einen eigenständigen Einfluss auf die Wahlentscheidung haben. Es existiert ein interner Mobilisierungseffekt, der Anhänger einer Partei zur Wahlentscheidung für ihre Partei umso mehr motiviert, je stärker eine bestimmte Koalitionspräferenz der eigenen Partei mit einem plausiblen Koalitionspartner vorhanden ist. Und es existiert ein externer Mobilisierungseffekt bei WählerInnen ohne starke Parteipräferenz. Je positiver diese Gruppe eine große Koalition bewertet hat, desto stärker wuchs die Bereitschaft SPÖ zu wählen, während die ÖVP generell von Koalitionspräferenzen weniger profitierte.

Outcome-oriented voters take the consequences for government formation into account. This is difficult in multiparty systems generally and it was especially difficult in die Austrian parliamentary election in 2006 because of the many plausible coalition options. Even so, the Austrian voters have developed coalition preferences. The party and coalition preferences are first used to describe their configuration at the macro level and to interpret it with the political attitudes of the electorate. Then the relationship between party and coalition preferences is studied at the micro level since the latter can not be interpreted as a simple consequence of the former. In the third step it is proved that coalition preferences determine the vote even if party preferences are controlled for. There exists an internal mobilization effect: Voters with a strong preference for one party get the better mobilized to vote for that party the more they prefer a specific coalition of their party with a plausible coalition partner. And there exists an external mobilization effect among voters without strong party preferences. The more positive this group rated the grand coalition of SPÖ and ÖVP, the stronger their tendency for an SPÖ vote, whereas the ÖVP could generally not profit from coalition preferences.