Studien zu Zwischenwahlen in Mehrebenensystemen zeigen, dass diese von den Wählern genutzt werden, um die auf der entscheidenden – meist nationalen – Ebene regierenden Parteien abzustrafen. Dies gilt tendenziell auch für Landtagswahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Bis auf wenige Ausnahmen testen empirische Studien diesen Zusammenhang mit Hilfe von Aggregatdaten. Im vorliegenden Beitrag argumentieren wir, dass der auf Aggregatebene vielfach beobachtbare „second order“-Effekt insofern auf die individuelle Wahlentscheidung zurückzuführen sein sollte, als „klassische“ Determinanten des Wahlverhaltens bei Landtagswahlen einen geringeren Effekt auf die Wahl von an der Bundesregierung beteiligten Parteien haben sollten, je größer der Abstand zur zeitlich nächsten Bundestagswahl ist. Zudem wird argumentiert, dass interessenorientiertes Wählen an Bedeutung gewinnen sollte, wenn das Ergebnis einer Landtagswahl entscheidende Auswirkungen auf die Sitzverteilung im Bundesrat hat. Wir testen diese Argumente anhand eines Datensatzes, der alle Landtagswahlstudien von 1985 bis 2009 umfasst. Die Analysen zeigen – selbst wenn für eine „Individualisierung“ des Wahlverhaltens kontrolliert wird – keine empirische Evidenz für die Erwartungen: auf individueller Ebene ist weder ein „second order“-Effekt noch eine bundespolitische Durchdringung des Wahlverhaltens bei Landtagswahlen beobachtbar.