Georg Lorenz, Sarah Gentrup, Cornelia Kristen, Petra Stanat, Irena Kogan
Stereotype bei Lehrkräften? Eine Untersuchung systematisch verzerrter Lehrererwartungen

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 2016: 68, Heft 1, S. 89-111
ISSN: 0023-2653 (print); 1861-891X (online)

Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob Lehrererwartungen unabhängig von den Kompetenzen der Schüler nach dem Geschlecht, nach der sozialen oder nach der ethnischen Herkunft variieren. Systematische Verzerrungen liegen dann vor, wenn Lehrkräfte die zukünftigen Leistungen in Abhängigkeit askriptiver Merkmale unter- oder überschätzen. Derartige Muster könnten durch unzutreffende Stereotype zustande kommen. Vor diesem Hintergrund werden die Leistungserwartungen von 69 Grundschullehrkräften untersucht. Die Ergebnisse belegen, dass die zu Schuljahresbeginn geäußerten Leistungserwartungen im Fach Deutsch bei gleichen Ergebnissen in objektiven Leistungstests für Kinder mit einem türkischen Zuwanderungshintergrund, für Kinder aus sozial schwächeren Familien sowie für Jungen negativ verzerrt sind. Bei der Betrachtung des Unterrichtsfachs Mathematik finden sich positive Verzerrungen für Kinder mit einem osteuropäischen Zuwanderungshintergrund und für Kinder aus sozial besser gestellten Familien. Geschlechtsspezifische Fehleinschätzungen im Fachbereich Mathematik sind nicht erkennbar.

Teacher expectations towards certain groups may be systematically biased, as ascriptive characteristics can trigger group-specific stereotypes. As a result teachers may under- or overestimate students’ future achievements based on ascriptive characteristics. This study investigates whether teacher expectations are systematically biased towards students’ gender, their social or ethnic origin. The empirical analyses are based on a study of 69 primary school teachers who were asked to assess the future performance of first graders in the school subjects German and Mathematics. The findings show that immediately after the start of the school year teacher expectations in the school subject German are negatively biased when it comes to students of Turkish origin, to children of lower social origin and to boys. In the mathematical field, teachers erroneously predict higher achievements for children of Eastern European origin and for those stemming from socioeconomically advantaged families. Gender bias in Mathematics, however, does not seem to occur.