Maximilian Kiefer, Kira Messing, Julia Musial, Tobias Weiß
Westliche Jugendliche im Bann des Islamischen Staates - Radikalisierende Inhalte der IS-Propaganda am Beispiel der Onlinemagazine Dabiq und Rumiyah

Journal for Deradicalization, 2017: 9, S. 125-184
ISSN: 2363-9849

Der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) gelingt es, in großer Zahl westliche Jugendliche zu radikalisieren, die, ob als Einzeltäter oder innerhalb eines Netzwerkes eine potentielle Sicherheitsbedrohung im Inneren westlicher Länder darstellen. Sicherheitsstrategien sollten daher das Phänomen der Radikalisierung Jugendlicher in den eigenen Ländern besonders berücksichtigen. Um auf den IS zugeschnittene Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Intervention und Deradikalisierung entwickeln zu können, ist eine umfassende Kenntnis potentiell radikalisierender Motive, die mittels der IS-Propaganda an Jugendliche herangetragen werden, nötig. An dieser Stelle setzt unsere Arbeit an, in der wir das Leitmedium der IS-Propaganda, das Onlinemagazin „Dabiq“, auf radikalisierende Inhalte untersuchen. Aufbauend auf die Arbeiten von Autoren aus der Radikalisierungsforschung nutzen wir ein deduktiv abgeleitetes Kategoriensystem zur Untersuchung der Motive individueller Radikalisierung in der IS-Propaganda. Die Ergebnisse zeigen, dass „Dabiq“ alle aus der Radikalisierungsforschung bekannten Motive anspricht. Allerdings stellen wir eindeutige Schwerpunktsetzungen fest: Die Motive „Feindbilder“ und „Klares Regelwerk“ sind die zentralen Kategorien, die durchgehend besonders oft auftreten. Die Feindbilder können dabei weiter differenziert werden in (1) den Westen und seine Verbündeten, (2) andere jihadistische Gruppen, (3) andere Religion(sgemeinschaft)en. Zwei Ausgaben weichen von dieser Schwerpunktsetzung ab. In diesen steht die positive Eigendarstellung, einerseits in Form der Betonung der eigenen Errungenschaften, andererseits in Form eines Selbstverständnisses als Avantgarde, im Vordergrund. Darüber hinaus beschreiben wir detailliert die spezifische inhaltliche Ausgestaltung dieser Motive. Ein Vergleich mit dem Magazin Rumiyah setzt unsere Ergebnisse in einen aktuellen Bezug. Mit den Erkenntnissen unserer Arbeit möchten wir Maßnahmen zur Bekämpfung von Radikalisierung durch den IS verbessern, indem diese inhaltsspezifisch auf die Motive, die der IS an die Jugendlichen heranträgt, abgestimmt werden können.

The terror organization "Islamic State" (IS) succeeds in radicalizing a large number of Western youths, who, as individual perpetrators or within a network, pose a potential security threat for Western countries. Security strategies should therefore pay particular attention to the phenomenon of radicalization of young people in their own countries. In order to develop IS-tailored measures in the prevention, intervention and deradicalization field, it is necessary to have a comprehensive knowledge of potentially radicalizing motives, which are communicated to young people through IS propaganda. This is where our work starts, in which we examine the leading medium of IS propaganda, the online magazine "Dabiq", for radicalizing content. Based on the work of authors from radicalization research, we use a deductively derived category system to investigate the motives of individual radicalization within IS propaganda. The results show that "Dabiq" addresses all the motives known from radicalization research. However, we have identified clear priorities: the motives "enemy images" and "clear rules and regulations" are the central categories that are frequently encountered throughout. The enemy images can be further differentiated into (1) the West and its allies, (2) other jihadist groups, (3) other religions or communities. Two issues differ from this priority. In these, the focus is on a positive self-representation, on the one hand in the form of stressing one's own achievements, and on the other hand in the form of a self-image as an avant-garde. In addition, we describe in detail the specific content of these motives. A comparison with the Rumiyah magazine puts our results in a current context. With the findings of our work, we want to improve measures to combat radicalization by IS. The article is written in German.