Nicole Biedinger
Die ersten mathematischen Fähigkeiten von Vorschulkindern: Unterscheiden sich Mädchen und Jungen im frühen Umgang mit Zahlen?

Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung: Arbeitspapiere; 117
Mannheim
,
MZES
,
2008
ISSN: 1437-8574

Im Rahmen großangelegter internationaler Schulleistungsmessungen werden häufig auch Leistungsdifferenzen zwischen Jungen und Mädchen festgestellt. Dies zeigt sich vor allem in den Fächern Mathematik, Naturwissenschaften und Deutsch. Die Forschung zu mathematischen Geschlechtsunterschieden besteht bereits seit einigen Jahrzehnten, dennoch konnte sich bisher keine Erklärung etablieren. Eine mögliche Ursache könnte darin liegen, dass die Datenlage gerade für junge Kinder in Deutschland noch große Mängel aufweist. Daher widmet sich das vorliegende Arbeitspapier der Frage, ob auch bereits bei 3-5jährigen Kindern Geschlechtsunterschiede bei mathematischen Fertigkeiten festzustellen sind. Es soll untersucht werden, ob es frühe Unterschiede gibt, ob diese nur in bestimmten Sektoren existieren und ob auch Differenzen in der Lerngeschwindigkeit der Kinder existieren.
Der Beitrag gibt zunächst einen Überblick über den Stand der Forschung und über bisherige Erklärungsansätze. Dabei werden exemplarisch internationale Ergebnisse und Ergebnisse aus Schulleistungsstudien herangezogen. Die Hauptfragestellung des Beitrags wird mit den Daten des Projekts "Erwerb von sprachlichen und kulturellen Kompetenzen von Migrantenkindern in der Vorschulzeit" bearbeitet. Die Ergebnisse zeigen, dass es erstens bei sehr jungen Kindern noch keine generellen Geschlechtsunterschiede im Umgang mit Zahlen gibt. Zweitens, dass es auf den Themenbereich der Aufgabenstellung ankommt. Es gibt Aufgabenstellungen und mathematische Themengebiete, in denen Jungen den Mädchen und auch Bereiche, in denen Mädchen den Jungen überlegen sind. Und schließlich zeigt sich, dass weder Mädchen noch Jungen zwischen den beiden Wellen der Längsschnittstudie bisher einen stärkeren Leistungsfortschritt erzielt haben. Bei Berücksichtigung der kognitiven Entwicklung zwischen den Wellen zeigt sich jedoch ein marginal signifikant positiver Effekt für Jungen, so dass tendenziell vermutet werden kann, dass bei ähnlich kognitiv entwickelten Kindern die Jungen etwas größere Fortschritte im Rechnen erzielen.