Astrid Karl, Carsten G. Ullrich, Ulrike Wössner
Die Moralökonomie der Arbeitslosigkeit: Zur systeminduzierten Akzeptanz von Sicherungssystemen für Arbeitslose

Arbeitsbereich I; 25
Mannheim
,
MZES
,
1998
ISSN: 0948-0072

Die Frage nach der Zustimmung von Bürgerinnen und Bürgern zu wohlfahrtsstaatlichen Leistungssystemen (soziale Akzeptanz) stellt sich in der sozialpolitischen Austeritätsphase neu. Denn der Ab- bzw. Umbau von Leistungssystemen hat meist auch eine veränderte Verteilung von Lasten und Begünstigungen zur Folge. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, daß soziale Akzeptanz zum einen durch spezifische Merkmale oder Strukturprinzipien von Leistungssystemen, zum anderen durch systemunabhängige, individuelle Prädispositionen von Adressaten beeinflußt wird. Eine solche analytische Trennung in systeminduzierte und systemunabhängige Akzeptanzaspekte ermöglicht eine systematische Annäherung an das Phänomen der sozialen Akzeptanz. Gegenstand der nachstehenden Ausführungen sind diejenigen Merkmale von Leistungssystemen, die deren soziale Akzeptanz auf der Mikroebene der Versicherten und Steuerzahler beeinflussen. Die durch diese Merkmale bestimmte Qualität der Systeme mit ihrer Auswirkung auf die soziale Akzeptanz wird im folgenden als Akzeptabilität bezeichnet. Welche Systemeigenschaften sind für die Akzeptabilität maßgeblich und welche Hypothesen lassen sich daraus für die soziale Akzeptanz ableiten? Im folgenden werden die drei wichtigsten sozialpolitischen Programme untersucht, die Arbeitslosen heute zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehen: das Arbeitslosengeld, die Arbeitslosenhilfe und die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Diese drei monetären Leistungssysteme versprechen in besonderem Maße Aufschluß über die Akzeptabilität, weil sie sich auf dasselbe soziale Risiko beziehen, aber in ihrer Programmstruktur variieren.