Franz Urban Pappi, Jens Brandenburg, Susumu Shikano
Nähe und Richtung als Kriterien der Politikwahl: Probleme der empirischen Messung am Beispiel deutscher Bundestagswahlen

Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung: Arbeitspapiere; 115
Mannheim
,
MZES
,
2008
ISSN: 1437-8574

Nähe und Richtung können als Kriterien der Wahlentscheidung in einem Politikraum dienen, der sich aus den wahrgenommenen Parteipositionen und der eigenen Einstellung der Wähler zu politischen Sachfragen (Issues) bilden lässt. Ist man ursprünglich allein vom Nähemodell in der Tradition von Downs (1968) ausgegangen, haben Rabinowitz und Macdonald (1989) argumentiert, die Wähler unterschieden nur grob, ob sie für oder gegen eine bestimmte Politik seien, und wählten dann die Partei, die ihre bevorzugte Politik am intensivsten vertrete. Diese verschiedenen Auffassungen des Politikraums werden zum Problem, wenn man beide Kriterien in einem gemischten Modell verbindet. In dem Beitrag wird gezeigt, dass es Verhaltenstheorien wie die Diskontierungstheorie von Grofman (1985) gibt, die Nähe und Richtung widerspruchsfrei als Wahlkriterien für einen einheitlich aufgefassten Politikraum verbinden. Am Beispiel von Sachfragen bei den Bundestagswahlen 1980, 1987, 1994 und 1998 wird gezeigt, dass die Erklärungskraft des Grofman-Modells genauso gut ist wie die eines gemischten Modells, das aber den Nachteil einer inkonsistenten Konzeption des Politikraums hat. Empirisch unterscheiden sich die Modelle in der Festlegung des Bezugspunkts für das Richtungskriterium. Bei Grofman ist dies die Position des Status quo auf den verwendeten Policyskalen, bei Rabinowitz und Macdonald ist es der mittlere Skalenwert, der als Ankerpunkt für die Präferenzrichtung dient.

Proximity and direction can be applied as criteria for the best decision in a policy space constructed from perceived party positions and voters’ preferences for a set of political issues. The mainstream assumption in the tradition of Downs (1968) has long been that voters choose the most proximate party. Rabinowitz and Macdonald (1989) have built an alternative theory based on the assumption that voters distinguish only whether they are for or against a certain policy and choose that party which is the most intensive advocate of their favored policy. These different conceptions of a policy space become problematic if the two criteria of proximity and direction are combined in a mixed model. In this paper we discuss alternative theories, termed by us as unified models, which combine the two criteria consistently, our main example being the discounting theory of Grofman (1985). We show for issues from the Bundestag elections of 1980, 1987, 1994 and 1998 that the explanatory power of the Grofman theory is as good as that of mixed models which have the disadvantage of conceptualizing the policy space inconsistently. Empirically the two theories vary with respect to the used reference point on the issue scales. Grofman uses the status quo which determines the direction of the policy output promised by the parties, Rabinowitz and Macdonald rely on the midpoint of the issue scale as the voters’ anchor point for their pro or contra judgment.