Neue Studie: Baden-Württemberg auf dem richtigen Weg in Sachen Bürgerbeteiligung

Date: 
Wednesday, 6. May 2015
Medium: 
Baden-Württemberg Stiftung

Mehr als eineinhalb Jahre haben im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung Forscherteams der Universitäten Freiburg, Mannheim, Stuttgart und Tübingen demokratische Beteiligungsformen im Land untersucht und erstmals ein Demokratie-Monitoring durchgeführt. Ziel des Monitorings war es, Materialien für eine systematische Evaluation des Funktionierens der Demokratie zu sammeln und Verbesserungsmöglichkeiten zu benennen. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit sind in der Publikation „Demokratie-Monitoring Baden-Württemberg 2013/14. Studien zur Demokratie und Partizipation“ zusammengefasst, die heute in Stuttgart im Landtag vorgestellt wurde.

Stuttgart, 6. Mai 2015 – Geringe Transparenz und Entscheidungen hinter verschlossenen Türen haben in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Skepsis der Bürgerinnen und Bürger gegenüber repräsentativen Institutionen und Akteuren geführt. Der Ruf nach direkter Beteiligung an Entscheidungsprozessen wird immer lauter. Wie steht es angesichts dieser Entwicklungen um die Demokratie in Baden-Württemberg? Welchen Stellenwert haben Demokratie, Partizipation und bürgerschaftliches Engagement für die Menschen im Land? Vor diesem Hintergrund hat die Baden-Württemberg Stiftung ein Demokratie-Monitoring in Auftrag gegeben, das die demokratischen Beteiligungsformen im Land untersuchen sollte.

„Die Demokratie lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern“, betonte Landtagspräsident Wilfried Klenk MdL bei der Buchpräsentation. Für die Politik gehe es in diesem Zusammenhang darum, den Menschen neue Mitwirkungsmöglichkeiten zu eröffnen, die repräsentative Demokratie zu ergänzen. Der Landtag von Baden-Württemberg wolle den Bürgerinnen und Bürgern deshalb mehr direkte Mitsprache auf Landes- und auf kommunaler Ebene einräumen, so Klenk.

Den Impuls zur Studie gab Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler. Ihr war es wichtig, mit dem Demokratie Monitoring ein wiederkehrendes Instrument zu schaffen, mithilfe dessen die Bedeutung von Demokratie, Partizipation und Engagement dargestellt wird. Die Staatsrätin weiß aus vielen Begegnungen und Gesprächen im Land: „Die Menschen in Baden-Württemberg haben längst erkannt, dass wählen, mitmachen und entscheiden zusammengehört und dass zu einer vielfältigen Bürgerdemokratie ein starker Rahmen aus lebendigen Räten und Parlamenten genauso gehört, wie ergänzende Mitmach- und Beteiligungsformate und das direkte Abstimmen. Das Demokratie Monitoring zeigt eindrücklich, dass es Sinn macht, diese Elemente nicht gegeneinander zu denken, sondern künftig die Spielarten einer vielfältigen Demokratie klug miteinander zu kombinieren.“

Bürgerbeteiligung = gelebte Demokratie

Politische Beteiligung ist für eine Demokratie unverzichtbar. Je mehr Menschen sich an diesem Prozess beteiligen, desto lebendiger kann Demokratie sein. Seit 2012 hat die Baden-Württemberg Stiftung mit dem Programm Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft eine vielseitige Initiative für eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Bürgerbeteiligung entwickelt. Den Status Quo haben die Universitäten Mannheim, Tübingen, Stuttgart/Freiburg in drei Teilprojekten erforscht.

•    Teilprojekt 1, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, Universität Mannheim: Bürger und Demokratie in Baden-Württemberg
•    Teilprojekt 2, Universität Tübingen: Politische Lebenswelten. Ergebnisse einer qualitativen Studie zu politischen Einstellungen und Beteiligungsorientierungen in ausgewählten Kommunen in Baden-Württemberg
•    Teilprojekt 3, Universität Stuttgart und Universität Freiburg: Wirkungen von Bürgerbeteiligung

„Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten zeigen, dass wir in Baden-Württemberg auf dem richtigen Weg sind. Mit unserem Programm Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft leisten wir zudem einen wichtigen Beitrag, um in der Bevölkerung für Beteiligungsverfahren eine höhere Akzeptanz zu schaffen“, sagte Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung.

Bürger wünschen sich mehr direkte Beteiligung

Zwei überraschende Befunde konnten die Mannheimer Forscher vermelden. Eine Befragung von 3000 Menschen hat ergeben, dass eine starke Identifikation der Bürger mit ihrem Land vorliegt und Zufriedenheit mit den demokratischen Institutionen und Verfahren in Baden-Württemberg herrscht. Darüber hinaus wurde sogar eine hohe Zufriedenheit bei landespolitischen Entscheidungen ermittelt. Trotzdem äußerte eine Mehrheit der Befragten den Wunsch und Anspruch nach direkter Beteiligung an den politischen Entscheidungsprozessen.

Politisches Bewusstsein Jugendlicher früher und gezielter fördern

Sieben lebensweltliche Typen auf Basis des Partizipationsniveaus und des Demokratieverständnisses konnten die Tübinger Forscher ermitteln. So unterteilen sie die Bürgerinnen und Bürger u.a. in die Unpolitischen, die Gemeinwohlorientierten, die Macher oder die Mitbestimmer auf. Die Kategorisierung hängt von politischen Schlüsselerlebnissen einerseits sowie von der persönlichen Relevanz der Themen für die Menschen andererseits ab. Außerdem erscheint es grundsätzlich notwendig, das politische Bewusstsein schon früh gezielt und weit über die im Schulunterricht bislang vermittelten Inhalte hinaus zu stärken.

Bürgerbeteiligung = Stütze der Demokratie

Das Projekt des Forschungsteams der Universitäten Stuttgart und Freiburg kommt zu dem Schluss, dass die verstärkte Nutzung von Bürgerbeteiligungsformen ein sinnvoller Weg ist, um die repräsentative Demokratie zu unterstützen. Dabei hängen die verschiedenen Formen der Beteiligung stark mit der subjektiven Wirkung politischer Sachverhalte zusammen. Themen mit einem hohen Konfliktpotenzial schrecken eher ab, während Themen mit niedrigem Konfliktpotenzial zu einer höheren Beteiligungsbereitschaft führen.

Die heute vorgestellten Forschungsergebnisse des Demokratie-Monitorings und die daraus resultierenden Impulse werden auch am 11. und 12. Juni im Rahmen der Demokratiekonferenz 2015, veranstaltet von der Landesregierung Baden-Württemberg und dem Regierungsrat des Kantons Aargau, im Neuen Schloss Stuttgart vorgestellt.

Hinweis an die Redaktionen:
Die Forschungsergebnisse sind als Publikation im VS Springer Verlag Wiesbaden. Gerne können Sie ein kostenloses Exemplar über radicke [at] bwstiftung.de erhalten.

Mit dem Programm Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft hat die Baden-Württemberg Stiftung eine vielseitige Initiative für eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Bürgerbeteiligung entwickelt. Mehr Informationen dazu erhalten Sie unter http://www.beteiligungslotse.de

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