„Koal-O-Mat“ für die Bundestagswahl: Welche Parteien passen zusammen?

For the full Koal-O-Mat paper in English, please see here (pdf).

Wer regiert mit wem nach dem 24. September? Dr. Christian Stecker und Dr. Thomas Däubler, beide Projektleiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim, haben die Gemeinsamkeiten und potentiellen Konflikte denkbarer Koalitionspartner ermittelt. Als Datenbasis dient den Wissenschaftlern die bekannte Online-Anwendung Wahl-O-Mat. Dieser gleicht die Position eines Nutzers zu 38 politischen Themen mit den entsprechenden Positionen der Parteien ab und zeigt so, welcher Partei man inhaltlich am nächsten steht. „Wir haben anhand der Antworten der Parteien auf die Wahl-O-Mat-Thesen analysiert, wie groß die inhaltlichen Schnittmengen verschiedener Parteienbündnisse ausfallen. Aus dem Wahl-O-Mat entsteht so ein Koal-O-Mat“, erklärt Christian Stecker.

Alles außer der „GroKo“ wird kompliziert – oder ist ziemlich unwahrscheinlich

Der Koal-O-Mat zur Bundestagswahl 2017 kommt zu folgenden Ergebnissen: Die größte Einigkeit besteht bei den traditionellen Wunschverbindungen der Parteien. Schwarz-Gelb kommt auf 20 von möglichen 38 Übereinstimmungen und Rot-Grün sogar auf 24 Übereinstimmungen. „Den Umfragen zufolge ist eine Kanzlermehrheit für Schwarz-Gelb unwahrscheinlich und für Rot-Grün liegt sie in unerreichbarer Ferne. Die jüngsten Prognosen lassen erwarten, dass sich die Parteien in einem Bundestag mit sechs Fraktionen auf eine schwierige Partnersuche einstellen müssen“, erläutert Thomas Däubler. Also weiter mit der Großen Koalition? Sie wäre die einzige Zweiparteienregierung, der eine Mehrheit sicher wäre und sie kommt laut Koal-O-Mat, ebenso wie Schwarz-Gelb, auf immerhin 20 von 38 möglichen Übereinstimmungen. Lediglich bei sechs Themen gibt es zwischen Union und SPD einen expliziten Widerspruch.

Jamaika: 21 Widersprüche, nur neun Gemeinsamkeiten

Alle Dreierbündnisse hätten laut Stecker und Däubler deutlich mehr Konflikte aus dem Weg zu räumen. Eine Jamaika-Koalition hätte in nur neun Themen Einigkeit, in 21 Themen widersprechen sich die Partner ausdrücklich, etwa in der Umweltpolitik. Auch SPD, FDP und Grünen wäre im Falle einer Ampel-Koalition nicht mehr Harmonie vergönnt: Diese Parteien sind sich laut Koal-O-Mat in elf Themen einig, haben aber 20 explizite Streitpunkte. „Ein Bündnis aus Rot-Rot-Grün könnte hingegen auf nahezu doppelt so vielen Übereinstimmungen aufbauen – ist rechnerisch derzeit aber äußerst unwahrscheinlich“, so Däubler.

Gibt es also keine sinnvolle Alternative zur Großen Koalition? Die beiden Politikwissenschaftler raten den Parteien, sich Gedanken zu machen, wie sie künftig handlungsfähige Regierungen bilden können. „Die zunehmende Zersplitterung des Parteiensystems in Deutschland macht die Mehrheitsbildung immer schwieriger und engt den Gestaltungsspielraum der Politik ein. Die Koalitionsparteien müssen immer größere Gegensätze überbrücken – wohlwissend, dass sie in einigen Themen mit der Opposition ein besseres Ergebnis erzielen könnten. Alle relevanten Parteien scheinen die starre Mehrheitskoalition dennoch für alternativlos zu halten“, konstatiert Stecker.

Minderheitsregierung könnte wechselnde Mehrheiten bei bis zu 29 Themen organisieren

Andere Länder zeigten dagegen schon lange, dass offenere Formen der Mehrheitsfindung eine sinnvolle Alternative zur Mehrheitskoalition darstellen könnten. „Dänische Minderheitsregierungen suchen sich beispielsweise je nach Thema Partner aus dem weiten Spektrum der im Parlament vertretenen Parteien. Unsere Analyse zeigt, dass auch der nächste Bundestag seinen Handlungsspielraum maximieren könnte, wenn sich die Parteien einer flexibleren Zusammenarbeit öffnen und wechselnde Mehrheiten zu verschiedenen Themen bilden würden“, so Stecker weiter. Anhand der derzeit prognostizierten Sitzverteilung werde deutlich, dass sich bei insgesamt 21 Themen eine Parlamentsmehrheit zusammenfinden könnte, selbst wenn man dabei die AfD außen vorließe. Würden sich die etablierten Parteien einer themenspezifischen Zusammenarbeit mit der AfD öffnen, fände sich sogar bei 29 Themen eine Mehrheit.

Erweiterte Analyse: Union, FDP und AfD könnten miteinander auskommen – theoretisch

In einer weiterführenden Analyse haben die Wissenschaftler mit einem statistischen Verfahren untersucht, wie wichtig die einzelnen Wahl-O-Mat-Thesen für die Parteien sind und welche Thesen besonders leicht zu Konflikten führen könnten. Dieses Vorgehen beschreiben Stecker und Däubler in ihrer unten verlinkten ausführlichen Analyse. Im Ergebnis zeigt die gewichtete Untersuchung, dass das Konfliktpotenzial in einer Großen Koalition stärker ist, als es der Koal-O-Mat bei gleicher Gewichtung aller Fragen ergibt. „In unserer Simulation steigt die Zahl möglicher Konflikte einer Großen Koalition etwas an, während sie für alle Dreierbündnisse sinkt“, erklärt Thomas Däubler. „Es überrascht, dass das Konfliktpotenzial bei einem Bündnis aus Union, FDP und AfD relativ niedrig läge – etwa so hoch wie bei Rot-Rot-Grün.“ Das sage aber nicht viel darüber aus, ob diese Bündnisse auch wahrscheinlich seien: „Schließlich geht es bei der Regierungsbildung auch um andere Faktoren, wie gemeinsame Werte, Vertrauen und strategische Wettbewerbsmotive“, fasst der Politikwissenschaftler zusammen.

Weitere Informationen:

Die vollständige Analyse der Wissenschaftler inklusive grafischer Darstellungen steht zum Download zur Verfügung:
http://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/papers/koalomat_analyse_bun...
English version:
http://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/papers/koalomat_analyse_bun...

Kontakt:

Dr. Christian Stecker
Projektleiter
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2855
E-Mail: Christian.Stecker [at] mzes.uni-mannheim.de
http://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/profiles/christian-stecker

Dr. Thomas Däubler
Projektleiter
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2809
E-Mail: Thomas.Daeubler [at] mzes.uni-mannheim.de
http://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/profiles/thomas-daeubler

Nikolaus Hollermeier
Direktorat / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2839
E-Mail: nikolaus.hollermeier [at] mzes.uni-mannheim.de
www.mzes.uni-mannheim.de

(Pressemitteilung Universität Mannheim, 07.09.2017)