Mit mehr innerparteilicher Partizipation gegen den Mitgliederschwund

Bekommen Parteimitglieder die Möglichkeit in einem Sachfragereferendum mitzubestimmen, verändert sich ihre Einstellung gegenüber der eigenen Partei, und die Bindung an die Partei verstärkt sich. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie zur innerparteilichen Demokratie von Sozialwissenschaftlern der Universitäten Mannheim und Konstanz.

Beim SPD-Parteitag vergangene Woche haben die Mitglieder beraten, ob Gespräche über eine Große Koalition mit der CDU/CSU geführt werden sollen. Sollte es zu einer Koalitionsvereinbarung kommen, will die Partei ihre Mitglieder darüber abstimmen lassen. Seit der Wiedervereinigung haben die etablierten Parteien in Deutschland die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Um diesen Abwärtstrend zu stoppen, weiten die Parteien sukzessive die Partizipationsrechte ihrer Mitglieder aus. Im Rahmen einer Studie haben die Mannheimer Politikwissenschaftler Prof. Dr. Harald Schoen und Alexander Wuttke gemeinsam mit Dr. Andreas Jungherr, Juniorprofessor an der Universität Konstanz, Berliner CDU-Mitglieder zum Mitgliederentscheid zur gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2015 befragt. Das Ergebnis: Die Mitglieder sahen ihre Partei nach dem Mitgliedervotum in einem etwas anderen Licht.

Bei dem Votum im Jahr 2015 ging es um die Haltung der Partei zur gleichgeschlechtlichen Ehe; es war das erste Mitgliedervotum in der Geschichte der Berliner CDU. Die Parteiführung bezog keine einheitliche Position, vielmehr haben einige Personen der Parteispitze für ein Pro-Votum geworben, andere für ein Contra-Votum. Der Parteivorsitzende blieb neutral. Die Mitglieder der Berliner CDU wurden jeweils vor und nach dem Entscheid zu einer sozialwissenschaftlichen Befragung eingeladen. „Unsere Daten zeigen, dass die Parteimitglieder nach der Abstimmung ihre Möglichkeiten, in der Partei Einfluss zu nehmen, deutlich positiver beurteilen als vorher. Dabei spielt es keine Rolle, für welche Position sie abgestimmt haben“, erklärt Alexander Wuttke. Dabei sei das Empfinden, durch den Entscheid Einfluss zu haben, besonders groß bei denjenigen Mitgliedern, die vor dem Votum der Meinung waren, in der Partei wenig gehört zu werden. „Das zeigt, die Befragten haben sich in ihrer Mitgliedsrolle gestärkt gefühlt“, erläutert Dr. Andreas Jungherr.

Darüber hinaus geht aus der Befragung hervor, dass die Mitglieder im Zuge eines Mitgliedervotums dazulernen und sich ihr Verhältnis zu den Parteieliten wandelt. Sie lernen bisher verdeckte Sachfragepositionen von Spitzenpolitikern kennen und legen die inhaltliche Übereinstimmung mit einzelnen Spitzenpolitikern als Messlatte für ihre Bewertung von Parteieliten an. Die Mitglieder beurteilen Parteieliten demnach nach einer solchen Abstimmung stärker nach ihren inhaltlichen Überzeugungen. „Anhand unserer Ergebnisse lässt sich sagen, dass innerparteiliche Partizipation dazu beitragen kann, die Bindung an die eigene Partei zu stärken. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass sämtliche Parteien die Partizipationsrechte von Mitgliedern weiter ausbauen werden. Denn bei solchen Entscheidungen sind auch andere Gesichtspunkte zu bedenken“, resümiert Prof. Dr. Schoen.

Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Party Politics“ erschienen und frei zugänglich unter: http://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1354068817745729

Eine aufbereitete Zusammenfassung ist abrufbar unter: http://www.innerparteiliche-demokratie.de/

Kontakt:
Katja Bär
Leitung Kommunikation und Fundraising
Pressesprecherin
Universität Mannheim
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(Pressemitteilung Universität Mannheim, 11.12.2017)