Walter Müller, Reinhard Pollak, David Reimer, Steffen Schindler
Hochschulbildung und soziale Ungleichheit

Pp. 289-327 in: Rolf Becker (Ed.): Lehrbuch der Bildungssoziologie. 2nd ed. 2011. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Hochschulen vermitteln wie andere Bildungseinrichtungen auch explizit und in systemati-scher Weise Kompetenzen und Qualifikationen und tragen durch die Weitergabe von Orien-tierungen, Werten und sozialen Verhaltensweisen teils offen, teils implizit („hidden curricu-lum“) zur Sozialisation der Bevölkerung bei. Damit verbunden ist, was oft als Selektion, Statuszuweisung oder Statusdistribution bezeichnet wird: Die Chancen von Individuen auf unterschiedlich vorteilhafte Positionen im Erwerbssystem oder auf Positionen von Macht und Einfluss in anderen Bereichen sind in hohem Grad durch das Abschneiden im Bildungs-system geprägt. Die Erträge von Bildung sind aber nicht nur durch die gewonnenen Kompe-tenzen und Fähigkeiten oder das erworbene Wissen bestimmt. Zertifizierte Qualifikationen können auch Konsequenzen unabhängig vom Gelernten haben, und was letztlich als Berufs-oder Machtposition herauskommt, hängt auch von vielfältigen Bedingungen in den ver-schiedenen Ertragsfeldern ab. Was jemand im Bildungssystem erreicht, ist stark von unglei-chen Ausgangsbedingungen der familiären Herkunft beeinflusst. Deshalb werden über Bil-dung auch soziale Ungleichheiten von einer Generation auf die nachfolgende „vererbt“. Der Bildungserwerb ist aber nicht ausschließlich durch Bedingungen der Herkunft bestimmt. Bildung fördert deshalb nicht nur die Reproduktion sozialer Ungleichheit, sondern sie ist zugleich ein wichtiger Kanal sozialer Mobilität zwischen den Generationen.