Franz Urban Pappi
Politisierte Sozialstruktur und Wählerverhalten bei Bundestagswahlen

Historical Social Research: Supplement; 27
312 p.
,
Köln
,
GESIS
,
2015

Die bei der Entstehung des deutschen Parteiensystems zentralen gesellschaftlichen Spaltungen nach Konfession und Klasse nehmen in ihrer Bedeutung für das gegenwärtige Wählerverhalten in Deutschland ab. Diese Abnahme ist ein langfristiger Prozess, den die in diesem HSR-Supplementband versammelten Aufsätze Pappis aus den letzten 40 Jahren nachzeichnen. Die allmählichen Veränderungen sind nicht nur dem sozialen Wandel geschuldet, sondern werden auch von den politischen Parteien beeinflusst. Deswegen die Bezeichnung als politisierte Sozialstruktur.

Die meisten Aufsätze sind aus Anlass einer bestimmten Bundeswahl geschrieben, von der Konsolidierungswahl der sozialliberalen Koalition 1972 bis zu den Bundestagswahlen in Gesamtdeutschland. Der zeithistorische Bezug der Aufsätze dokumentiert nicht nur den sozialen und politischen Wandel zum jeweiligen Zeitpunkt, sondern erlaubt auch Einblicke in die Themenkonjunktur der deutschen Wahlforschung. Interessierte man sich in den 1970er Jahren für den „Genossen Trend“, die stetige Zunahme des SPD-Anteils bei Bundestagswahlen, galt es in den 1980er Jahren die Gründe für das Erstarken der Grünen zu erkunden und in den 1990er Jahren die Etablierung eines demokratischen Parteiensystems in Ostdeutschland. Gleichzeitig standen immer mehr Umfragedaten für die einzelnen Wahlen zur Verfügung, so dass die allmähliche Veränderung der politisierten Sozialstruktur im Generationenwandel untersuchbar wurde.

Die Aufsätze sind in vier Teile gegliedert. Teil I behandelt Begriff und Forschungsansatz zur Untersuchung von social cleavages. Teil II ist der Analyse des stabilen Drei-Parteien-Systems der 1970er Jahre gewidmet. In Teil III werden die Trägergruppen der einzelnen politisierten sozialen Spaltungen behandelt: Religiöse Gruppen, soziale Klassen und neue soziale Bewegungen. In den neueren Aufsätzen des Teils IV werden die Möglichkeiten der Generationen-Perioden-Analyse ausgeschöpft mit Hilfe von Datensätzen, die Umfragen über längere Zeiträume hinweg kumulieren. Die allmähliche Veränderung der Bedeutung der traditionellen Spaltungen der deutschen Wählerschaft ist der Generationensukzession geschuldet, bedeutet aber nicht gleichzeitig die Bedeutungslosigkeit von sozialstrukturellen Interessenlagen generell für die Parteipräferenz.