Thomas König
Die Koordination in politischen Verhandlungssystemen

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1995: 47, issue 2, pp. 268-294

Empirische Beobachtungen beispielsweise von Proporzdemokratien oder von korporatistischen Systemen beschreiben eine Transformation von majoritären Entscheidungssystemen in konsensuelle Verhandlungssysteme, über deren Koordinationsmechanismen wenig bekannt ist. In der politischen Theorie kann die Koordination von unterschiedlichen politischen Positionen entweder mit makropolitischen Ansätzen oder mit einem "Makro-Mikro"-Paradigma erklärt werden. Während mit der makro-politischen Vorgehensweise ein politisches oder ein politisch/privates Mehrheitsmodell ohne Verhaltensannahmen verbunden ist, steht für die Analyse des verhaltenstheoretischen Umweges mit der Tauschtheorie ein Ansatz zur Verfügung, der eine optimale Koordination der Verhandlungsressourcen in politischen Verhandlungssystemen verspricht. Nach der hier entwickelten Auffassung stehen formale Verhandlungsressourcen lediglich politischen Akteuren zur Verfügung, die privaten Akteuren einen Zugang zum Verhandlungsprozeß gewähren können. Dieser Zugang privater Akteure war in der Vergangenheit ein zentraler Forschungsgegenstand der Policy-Analyse, und es konnten Beziehungsmuster zwischen privaten und politischen Akteuren identifiziert werden, die ein politisches System oder einen Politikbereich charakterisieren. Die Einbindung solcher Beziehungsmuster und ihre Trennung vom institutionellen Element politischer Verhandlungssysteme wird am Beispiel eines Modells vorgestellt, das sich sowohl zur Beschreibung als auch zur Erklärung von Verhandlungsresultaten in komplexen Verhandlungssystemen eignet. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Frage untersucht, wie ein politisches Verhandlungssystem dekompositioniert wird und welche Auswirkungen soziale Kooperationsmuster auf den Verhandlungsausgang haben können.

Recent empirical studies describe the transformation of majority decision systems into consensual negotiation systems without shedding light on their coordination mechanisms. In political theory, the co-ordination of different political positions can be explained either by macro-political approaches or by a macro-micro-macro paradigm. While the one approach will tend to specify political or private/political majority models without making any behavioral assumptions, exchange theory, on the other hand, offers a macro-micro-macro approach that promotes an optimum allocation of formal resources within political negotiation systems. Whereas political actors are endowed with formal resources, private actors have only indirect access to political negotiation systems. In the past, studies on access linkages from private to political actors detected different patterns of social relationships which characterize a political system. Both elements, the institutional and the social resources, have been integrated into this present analysis of the coordination exercised in political coordination systems. A political exchange model is offered consisting of either a relational or an institutional component. The impact of social coordination patterns on collective negotiation systems is the central focus of the analysis.