Marcel Neunhoeffer, Thomas Gschwend, Simon Munzert, Lukas Stoetzer
Ein Ansatz zur Vorhersage der Erststimmenanteile bei Bundestagswahlen

Politische Vierteljahresschrift, 2020: 61, issue 1, pp. 111-113
ISSN: 0032-3470 (print), 2364-9976 (online)

Nahezu die Hälfte der Bundestagsmandate wird über die Direktwahl in den Wahlkreisen vergeben. Das bleibt in einem Großteil der Wahlprognosemodelle jedoch unberücksichtigt. In diesem Beitrag stellen wir einen Ansatz zur Vorhersage der Erststimmenanteile in Wahlkreisen für Bundestagswahlen vor. Dazu kombinieren wir das Zweitstimmenvorhersagemodell von zweitstimme.org mit zwei Erststimmenmodellen, einer linearen Regression und einem künstlichen neuronalen Netzwerk, welche Kandidierenden- und Wahlkreischarakteristika zur Vorhersage nutzen. Für unseren Ansatz sind alle verwendeten Daten vor der jeweiligen Wahl öffentlich verfügbar und somit für eine echte Vorhersage nutzbar. Das Modell kann so bei künftigen Wahlen wertvolle Informationen für Kandidierende und die interessierte Öffentlichkeit bereitstellen. Die Vorhersagen sind darüber hinaus auch für erklärende Forschung relevant: Mithilfe der resultierenden Gewinnwahrscheinlichkeiten lassen sich bessere Messinstrumente zur Charakterisierung der Kompetitivität eines Wahlkreises und der zu erwartenden Knappheit des Wahlkreisrennens erstellen, welche politisches Verhalten beeinflussen können. Zudem erlaubt die Vorhersage, empirische Aussagen zur zu erwartenden Größe des Bundestags sowie seiner personellen Zusammensetzung zu treffen.

Almost half of the total seats in the German Bundestag are awarded through first-past-the post elections at the electoral-district level. However, many election forecasting models do not consider this. In this paper we present an approach to predicting the candidate-vote shares at the district level for the German Federal Elections. To that end, we combine the national-level election prediction model from zweitstimme.org with two district-level prediction models, a linear regression and an artificial neural network, that both use the same candidate and district characteristics for their predictions. All data in our approach are publicly available prior to the respective election; thus, our model yields real forecasts. The model is therefore able to provide valuable information to running candidates and the interested public in future elections. Moreover, our prediction results are also relevant for substantive research: with the aid of the resulting odds of winning, better measures can be created to characterize the competitiveness of an electoral district and the expected closeness of electoral-district elections, which can influence political behaviour. Furthermore, the prediction allows empirical statements to be made about the expected size of the Bundestag as well as the composition of its personnel.