Harald Schoen, Alexander Wuttke, Agatha Kratz, Maria Preißinger
Ein Umschwung in den letzten Wochen des Landtagswahlkampfes: Befunde einer mehrwelligen Wiederholungsbefragung zur niedersächsischen Landtagswahl 2017

Zeitschrift für Parlamentsfragen, 2018: 49, issue 1, pp. 22-39
ISSN: 0340-1758 (print + online)

Die niedersächsische Landtagswahl im Oktober 2017 fand im Schatten der vorhergehenden Bundestagswahl statt. Vor dem Hintergrund der zeitlichen Nähe beider Wahlgänge untersucht dieser Aufsatz die Entwicklung bundes- und landesbezogener Einstellungen im Wahlkampf-verlauf sowie deren Einfluss auf das Wählerverhalten in Niedersachsen. Eine mehrwellige Wiederholungsbefragung von 1.346 niedersächsischen Wahlberechtigten, die im Rahmen der German Longitudinal Election Study (GLES) durchgeführt wurde, dient als Grundlage der Untersuchung. In quer- und längsschnittlichen Analysen wird gezeigt, dass eine bedeutende Minderheit der Befragten den Wahlentscheidungen auf der Landesebene ebenenspezifische Erwägungen zu Grunde legt. Landesbezogene Einstellungen waren einer von der Bundesebe-ne weitgehend unabhängigen Wahlkampfdynamik unterworfen, die die Wahlabsichten des Elektorats beeinflusst zu haben scheinen. So konnte gerade die niedersächsische SPD die Po-pularität ihres Spitzenkandidaten in den letzten Wahlkampfwochen steigern und dadurch die CDU in einem Schlussspurt als stärkste Kraft ablösen.

The state election in Lower Saxony in October 2017 walked in the shadows of the preceding election on the federal level. In light of both campaigns’ temporal proximity, this study inves-tigates the development of political attitudes towards the federal and the state level and their relative influence on voter behavior in Lower Saxony. We make use of a multi-wave panel survey of 1,346 eligible voters in Lower Saxony, which was carried out in the framework of the German Longitudinal Election Study (GLES). Cross-sectional and longitudinal analyses show that a significant minority of respondents based their voting decision in the state elec-tion on state-specific considerations. State-specific attitudes varied strongly and to a large extent independently of attitudes towards parties and politicians at the federal level and went hand in hand with changes in voting intentions. The Lower Saxony SPD, in particular, was able to promote the popularity of its leading candidate, thereby leaving behind the CDU at the ballot boxes.