Thomas Plischke
Fällt die Wahlentscheidung immer später? Die Entwicklung des Zeitpunkts der Wahlentscheidung bei den Bundestagswahlen 1969 bis 2009

Politische Vierteljahresschrift, 2014: 55, issue 1, pp. 118-144
ISSN: 0032-3470 (print); 1862-2860 (online)

Umfragedaten belegen, dass Wähler ihre Wahlentscheidungen heutzutage später treffen als noch vor 40 Jahren. Jedoch bestehen Zweifel an der Validität der Zeitpunkt-Messung, da diese auf einer unzuverlässigen retrospektiven Selbsteinstufung fußt. Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, den Zeitpunkt der Wahlentscheidung mit einer alternativen Messmethode auf der Grundlage von Paneldaten aus acht Wahljahren zwischen 1969 und 2009 zu messen, um zu untersuchen, ob sich die Zunahme später Wahlentscheidungen auch hier feststellen lässt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Rückerinnerungsmethode stark fehlerbehaftet ist. Die Zunahme später Wahlentscheidungen ist deutlich geringer als bislang vermutet.

Survey data indicate that German voters make their final vote decision increasingly late. However, doubts persist with regard to the validity of time-of-decision measurement which is based on voters’ retrospective self-assessments. In this article, it is examined whether the increase in the share of late decisions can be replicated when applying an alternative measure of time-of-vote decision, thereby making use of panel data of eight German federal elections between 1969 and 2009. It will be demonstrated that the recall measurement lacks validity. Furthermore, the increase in the share of late decisions turns out to be much smaller than previously assumed.