Finnland galt lange Zeit als ein Verhandlungssystem mit präsidenziellem Zuschnitt, dessen politische Willensbildung mehr am Konsens- als am Mehrheitsprinzip ausgerichtet war. Welche Entwicklung Finnland nach den Verfassungsreformen der 90er Jahre nimmt, die das Mehrheitskriterium im Parlament senkten und die Direktwahl des Präsidenten einführten, steht im Mittelpunkt des Beitrags. Aus einer vergleichenden Perspektive wird das komplexe Zusammenspiel zwischen Präsident, Regierung und Parlament untersucht, das sich durch eine Vielzahl politischer Parteien, verschiedene Verfahren und mehrere Agenda-Setzer auszeichnet. Zum Vergleich wird das Handlungsintervall-Modell angewandt, das die politischen Gestaltungsoptionen der Gesetzesinitiatoren anhand ihrer Möglichkeiten bemisst, ihre Politikvorstellungen durchsetzen zu können, Kompromisse anbieten oder auf Änderungen verzichten zu müssen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verfassungsreformen Finnland den Weg zum Mehrheitssystem öffnen. Nehmen die im Parlament vertretenen Parteien ihre Agenda-Setzerfunktion wahr, dann kommt das Finnland der 90er Jahre dem Idealtyp eines parlamentarischen Mehrheitssystems nahe.