Thomas Zittel, Thomas Gschwend
Individualisierte Wahlkämpfe im Wahlkreis. Eine Analyse am Beispiel des Bundestagswahlkampfes von 2005

Politische Vierteljahresschrift, 2007: 48, issue 2, pp. 293-321
ISSN: 0032-3470

Wahlkämpfe im Wahlkreis stellen einen wichtigen Gegenstand in der neueren Wahl-, Parteien- und Kommunikationsforschung dar. Dort werden sie als adressatenbezogene Strategien politischer Parteien zur effizienten Mobilisierung von Wählerstimmen in zentralisierten und hochtechnisierten Kampagnen gedeutet. Wir schlagen in analytischer Absicht ein anderes Verständnis von lokalen Wahlkämpfen vor. Wir sehen lokale Wahlkämpfe als akteursbezogene Strategien, in der sich die Unabhängigkeit der Kandidaten im Wahlkreis nach amerikanischem Vorbild abzeichnet Wir kennzeichnen diese Deutung auch mit dem Begriff des individualisierten Wahlkampfes. Wir argumentieren, dass individualisierte Wahlkämpfe einerseits durch die Veränderung von Wählermärkten erklärt werden können und deshalb in den westlichen etablierten Demokratien zunehmend wahrscheinlich werden. Andererseits argumentieren wir, dass wahlsystemische Anreize und damit verbundene Wettbewerbskonstellationen wichtige institutionelle Bestimmungsgründe für individualisierte Wahlkämpfe darstellen. Diese These prüfen wir am Beispiel des Deutschen Mischwahlsystems auf der Basis einer schriftlichen Befragung der Kandidaten zur Deutschen Bundestagswahl 2005.

Constituency campaigns are an important subject matter for students of political parties, voting behaviour as well as political communication. In all three fields constituency campaigns are perceived as elements of centralized high-tech campaigns aiming in strategic ways at particular segments in electoral markets. We propose in this paper an alternative understanding of local campaigns and use the case of the German Parliamentary Elections in 2005 to provide empirical evidence for this understanding. We analyse constituency campaigns from an actor centred perspective, which pictures local campaigns as signalling independence of individual candidates from their parties. We label this phenomenon as individualized campaigning. We argue that individualized campaigning is influenced driven on the one hand by changing electoral markets. We argue on the other hand, that electoral incentives and particular types if electoral competitive foster individualized constituency campaigning. We test this latter hypothesis with regard to the German mixed-member electoral system and on the basis of a survey of all candidates standing for election in 2005.