Verhandlungen und Tausch sind grundlegende Elemente sozialer Interaktionen. Beispiele sind Verhandlungen über Ko-Autorenschaft, Heirats-„märkte“ oder schlicht die Planung von Freizeit mit Freunden. Zudem zeigen diese Beispiele, dass in beinahe jeder Situation die Auswahl der Interaktionspartner beschränkt ist. Im Gegensatz zu idealtypischen vollständigen Märkten sind Individuen bei fast jeder sozialen Handlung in Netzwerke eingebettet. Die Netzwerkstruktur bestimmt, mit wem ein Individuum in Verhandlung tritt. Da Tauschverhandlungen in Netzwerken somit allgegenwärtig sind, ist die Erklärung der Profitaufteilung wichtig für die theoretische Weiterentwicklung der Sozialwissenschaften.
Verschiedene Modelle wurden vorgeschlagen um Tausch in Netzwerken zu erklären (Überblick s. Willer 1999). Diese erklären die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen eigeninteressierten Akteuren durch Machtunterschiede aufgrund der Netzwerkposition. Das Network Control Bargaining (NCB)-Modell (Gautschi 2002, Braun/Gautschi 2011) hat einige Vorzüge: Es ist von der generalisierten Nash Verhandlungslösung der kooperativen Spieltheorie abgeleitet. Dennoch hat es eine nicht-kooperative Grundlage und basiert somit auf einer allgemeinen Theorie. Zudem kann es flexibel auch auf komplexe Situationen angewandt werden (Gautschi/Braun 2014).
Die Gültigkeit des NCB-Modells wurde bisher nur mit Sekundärdaten (Gautschi 2002, Braun/Gautschi 2011, Gautschi/Braun 2014) geprüft. Wir haben die Vorhersagen von NCB in Laborexperimenten getestet, auch in etwas komplexeren Situationen. Die Teilnehmenden verhandelten über 24 Profitpunkte auf einer zufälligen über alle 20 Runden konstanten Netzwerkposition innerhalb eines 5-Personen-T-shape-Netzwerks. In der Variante Einfachtausch konnte jeder Teilnehmende pro Runde mit einem Partner eine Transaktion vornehmen. Die peripheren Akteure stehen in Wettbewerb um die Beachtung durch die zentralen Akteure, was diesen die Macht verleiht, einen größeren Profitanteil zu erlangen. In der Variante mit unterschiedlich wertvollen Beziehungen verhandeln ein zentraler und einer der peripheren Akteure um 36 statt 24 Punkte, was diesen als Tauschpartner attraktiver macht. In der Variante Zweifachtausch können die zentralen Akteure pro Runde mit zweien ihrer Tauschpartner eine Einigung erreichen. Somit sind die zentralen Akteure stärker auf die Kooperation der peripheren Akteure angewiesen, wodurch ihre Macht schwindet.
Menschen sind vermutlich nicht in der Lage, ihre strukturelle Macht zu berechnen, sollten jedoch aus der Erfahrung die richtigen Schlüsse ziehen (Lernen). Beim Einfachtausch war ab der 10. Runde zu beobachten, dass die Versuchspersonen tatsächlich mit dem vorhergesagten Verhandlungspartner tauschten und Aufteilungen im arithmetischen Mittel sehr nah am vorhergesagten Wert lagen. In komplexeren Situationen war dies nicht der Fall.
Weitere Experimente werden im Februar 2015 durchgeführt, um methodische Beschränkungen der durchgeführten Experimente anzugehen. Möglicherweise waren die Teilnehmenden überfordert. Deshalb werden Verhandlungen im einfacheren 4-line-Netzwerk untersucht. Dabei werden Netzwerkzerfall bei unterschiedlich wertvollen Beziehungen sowie bei zwei Abschlüssen pro Runde Rivalität und Nichtrivalität der Verhandlungspartner verglichen.
Braun, Norman and Thomas Gautschi. 2011. Dyadischer Tausch in Netzwerken. In: dies.: Rational-Choice-Theorie. Weinheim und München: Juventa: 215-236.
Braun, Norman and Thomas Gautschi. 2013. Who Exchanges with Whom? A Theory of Exchange Ties and its Application to Simple Networks. Im Erscheinen.
Gautschi, Thomas. 2002. Trust and Exchange. Effects of Temporal Embeddedness and Network Embeddedness on Providing and Dividing a Surplus. Amsterdam: Thela Thesis.
Gautschi, Thomas and Norman Braun. 2014. Who Gets How Much in Which Relation? A Flexible Theory of Profit Splits in Networks and Its Application to Complex Structures. Im Erscheinen.
Willer, David (ed.) 1999. Network Exchange Theory. Westport, CT: Praeger.