Ingo Autenrieth, Katja Becker, Stephan Becker, Dirk Brockmann, Katharina Domschke, Christian Drosten, Ute Frevert, Bärbel Friedrich, Jutta Gärtner, Gerald Haug, others
Coronavirus-Pandemie: Wirksame Regeln für Herbst und Winter aufstellen: 6. Ad-hoc-Stellungnahme - 23. September 2020

Ad-hoc-Stellungnahme / Leopoldina; 6
12 p.
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Halle
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Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaften
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2020

Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 steigt seit Ende Juli in Deutschland wieder an. Noch deutlicher zeigt sich diese Entwicklung in anderen europäischen Ländern (z. B. Frankreich, Spanien, Niederlande, Österreich) oder in Israel, wo die Zahlen teilweise schon jetzt über dem Stand von Ende März 2020 liegen. Um der Gefahr einer auch in Deutschland wieder schwerer zu kontrollierenden Entwicklung der Pandemie rechtzeitig zu begegnen, ist es dringend notwendig, dass sich die Verantwortlichen in Bund und Ländern rasch auf bundesweit verbindliche, wirksame und einheitliche Regeln für das Inkrafttreten von Vorsorgemaßnahmen einigen und diese konsequenter als bisher um- und durchsetzen. Die Herausforderung, die Pandemie unter Kontrolle zu halten, wird zudem größer in Anbetracht sinkender Temperatur n, der Verlagerung von Gruppenaktivitäten in Innenräume, der anstehenden Herbst- und Weihnachtsferien sowie vermehrter sozialer Aktivitäten in der Advents- und Weihnachtszeit. Mit der beginnenden Erkältungs- und Influenzasaison wird das Gesundheitssystem stärker beansprucht; zudem wird sich häufiger das Problem stellen, Infektionen mit SARS-CoV2 von symptomähnlichen Erkrankungen zu unterscheiden. Ein wirksamer Impfstoff wird auch nach optimistischer Einschätzung nicht vor dem Frühjahr 2021 in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen und könnte erst dann sukzessive nach einem noch festzulegenden Verteilungsplan flächendeckend zum Einsatz kommen. Auch die Wirksamkeit medikamentöser Therapien ist bisher begrenzt. Ziel der Vorsorgemaßnahmen sollte es sein, das öffentliche und wirtschaftliche Leben in den kommenden Monaten so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Bei allen anstehenden politischen Entscheidungen wird es noch wichtiger sein als bisher, ihre ökonomischen, sozialen und psychischen Folgen, aber auch die Folgen für das Gesundheitssystem, bestmöglich zu klären und abzuwägen, sie transparent zu kommunizieren und gut zu begründen sowie bestehende Grenzen des Wissens über die Pandemie und Unsicherheiten in der Einschätzung ihrer Entwicklung klar zu benennen.