Die Deutsche Kandidatenstudie 2005   [English Language Version]


Willkommen auf der Homepage der Deutschen Kandidatenstudie!


Kandidatinnen und Kandidaten bei nationalen Parlamentswahlen waren in der Ver­gangenheit Gegenstand einer Reihe von Befragungen. Studien in
Australien, Neuseeland, Großbritannien, den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland haben Maßstäbe im Hinblick auf die Untersuchung des Gegenstands gesetzt.

Die Kandidaten­studie zur Bundestagswahl 2005 schreibt diese Tradition fort und ergänzt die 2002 begonnene Zeitreihe um einen zweiten Erhebungszeitpunkt. Darüber hinaus liegen ihr eine Reihe von systematischen Fragestellungen zugrunde, die über den Gegenstand selbst hinausweisen und die Relevanz der Untersuchung für die Analyse Repräsentativer Demokratien begründen.

Dabei stehen der sozio-demographische Hintergrund der Kandidatinnen und Kandidaten, ihre politische Rekrutierung, ihr Kommunikationsverhalten im Wahlkampf und ihre Einstellungen zu Themen der materiellen Politik im Mittelpunkt des Interesses.


Die Befragung ist beendet. Es haben sich 44% der Angeschriebenen an unserer Umfrage beteiligt. Inzwischen sind mehrere Publikationen auf der Grundlage der Daten der 2005er Kandidatenstudie erschienen, weitere sind in Vorbereitung:

Andreas M. Wüst, Hermann Schmitt, Thomas Gschwend und Thomas Zittel:
Candidates in the 2005 Bundestag Election: Mode of Candidacy, Campaigning and Issues,
German Politics 15 (4), 2006, S. 420-438.

Thomas Zittel und Thomas Gschwend:
Individualisierte Wahlkämpfe im Wahlkreis. Eine Analyse am Beispiel des Bundestagswahlkampfes 2005,
Politische Vierteljahresschrift 48 (2), 2007, S. 293-321.

Thomas Zittel und Thomas Gschwend:
Individualised Constituency Campaigns in Mixed-Member Electoral Systems: Candidates in the 2005 German Elections, West European Politics 31 (5), 2008, S. 879-1003.

Andreas M. Wüst: Zur Sozialisation von Neuparlamentariern im 15. Deutschen Bundestag, in: Oscar W. Gabriel, Bernhard Weßels und Jürgen W. Falter (Hrsg.): Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 2005, Wiesbaden: VS-Verlag, 2009, S. 328-345.

Andreas M. Wüst
: Bundestagskandidaten und Einwanderungspolitik: Eine Analyse zentraler Policy-Aspekte, Zeitschrift für Politikwissenschaft 19 (1), 2009, S. 77-105.


Andreas M. Wüst: Wahlverhalten und politische Repräsentation von Migranten,
Der Bürger im Staat, 56 (4), S. 228-234.


Falls Sie sich unseren Fragebogen ansehen oder ausdrucken möchten, klicken Sie bitte auf die folgenden Links:


Fragebogen für Wahlkreiskandidaten (einschließlich Kandidaturen im Wahlkreis und auf einer Parteiliste)
Fragebogen für reine Listenkandidaten (keine Kandidatur im Wahlkreis!)

Internationaler Kernfragebogen für Kandidatenstudien in anderen Ländern (in englischer Sprache)




Zur Deutschen Kandidatenstudie 2005 im Überblick



1Datenerhebung

Die Erhebung der Daten erfolgte im Rahmen einer postalischen Befragung. Diese vergleichsweise kostengünstige Umfrageform eignet sich, wie in diesem Fall, besonders gut für thematisch auf eine spezifische Gruppe zugeschnittene Befragungen. Nur dann kann bei einer schriftlichen Befragung mit einer hohen Antwortrate gerechnet werden, die mit den Antwortraten persönlich-mündlicher und telefonischer Interviews vergleichbar ist. Eine Alternative zur postalischen Befragung wäre eine e-mail- oder Internet-Befragung gewesen. Vor allem für ältere Kandidatinnen und Kandidaten, die häufig eine größere Distanz zu den neuen Medien aufweisen, hätte diese Umfrageform jedoch eine mögliche Hürde bedeutet, die bewusst nicht aufgebaut wurde.

Im Rahmen der Deutschen Kandidatenstudie 2005 wurden sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten (Vollerhebung) der im Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 2005 (Grundgesamtheit) angeschrieben. Es handelt sich um insgesamt 2346 Parlaments­kandidaten von SPD, CDU, CSU, FDP, Bündnis90/Die Grünen und Linkspartei. Die Mehrzahl, nämlich 1050 (45%), standen sowohl in einem Wahlkreis als auch auf einer Parteiliste zur Wahl. Nur 434 (18%) von ihnen sind ausschließlich in einem der 299 Wahlkreise angetreten und 862 (37%) kandidierten lediglich auf der Landesliste einer Partei.

Der Fragebogen besteht aus fünf Modulen mit insgesamt 58 Fragen, die gezielt im Hinblick auf die Datenerhebung in verschiedenen Ländern (international-vergleichendes Forschungsdesign) entwickelt worden sind. Für den deutschen Fragebogen wurden insgesamt 21 Fragen, die zumeist die zentralen Forschungsfragen vertiefen, zum Teil aber auch spezifisch deutsche Themen und Probleme behandeln, ergänzend aufge­nommen. Den reinen Listenkandidatinnen und –kandidaten konnten sechs Fragen zum Wahlkampf im Wahlkreis bzw. eine Frage zum Rückhalt im Wahlkreis nicht gestellt werden, so dass zwei Fragebogen-Versionen erstellt werden mussten. Die Fragebögen wurden als Broschüren in zwei verschiedenen Farben gefertigt.

Der Versand der Fragebögen erfolgte in zwei Wellen. Ein erstes Mal wurden die Kandidaten am 28. Oktober angeschrieben. Neben Fragebogen und Anschreiben lag ein frankierter Rückumschlag bei, der die Teilnahme erleichtern sollte. Am 1. Dezember wurden diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten, die nicht auf die erste Welle reagierten, mit einem weiteren Fragebogen und Rückumschlag an die laufende Befragung erinnert. Am 21. Dezember schließlich erfolgte eine letzte Erinnerung in Form einer Postkarte: es wurde hier auf die Möglichkeit der Zusendung eines weiteren Fragebogen-Exemplars hingewiesen und auch eine Möglichkeit zum Download angeboten.

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2.  Demographische, soziale und ökonomische Charakteristika der Kandidaten

Kandidatinnen und Kandidaten werden nicht nur parteipolitisch geprägt, sondern auch durch unveränderliche Merkmale wie z.B. Herkunft und Geschlecht, individuelle Lebensläufe (Bildung, Beruf, Partnerschaft und Familie), ökonomischen Erfolg und das soziale Umfeld (Wohngegend, Freundeskreis, Vereinszugehörigkeiten etc.). Diese Merkmale und Prägungen haben Einfluss auf die Wahl einer Partei, bestimmter politischer Themen, aber auch auf das Verhalten und hier insbesondere auf die Respon­sivität gegenüber Wählerinnen und Wählern im Wahlkreis und gegenüber den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Darüber hinaus beeinflussen soziodemo­graphische und ökonomische Merkmale und damit die soziale Einbettung der Kandida­tinnen und Kandidaten auch ihren Erfolg in ihrer Partei, in ihrem Wahlkreis und im Parlament.

Demographische, soziale und ökonomische Charakteristika sind deshalb für die kausale Analyse politischer Einstellungen und politischer Karrieren wichtig. Darüber hinaus sind sie ein Gradmesser für die sogenannte deskriptive Repräsentation, die neben sub­stanzieller Repräsentation (z.B. bestimmter politischer Interessen) ein wichtiges Ele­ment politischer Repräsentation allgemein ist. Höchst interessant ist in diesem Zusammenhang, inwieweit Zugehörige ganz spezifischer Gruppen auch spezifische Einstellungen aufweisen oder besondere Gruppeninteressen vertreten, die dann auch ganz konkrete politische Folgen haben könnten.

Unabhängig davon, wie wichtig deskriptive Repräsentation tatsächlich ist, wurde der Frage, inwieweit der Bundestag überhaupt noch „Abbild“ der Bevölkerung ist, wiederholt nachgegangen. Es hat sich gezeigt, dass eine Verschlechterung der deskriptiven Repräsentation mit einer starken Professionalisierung der Klasse der Berufspolitiker einhergeht. Ob dies auch für das Vorfeld, also die Parlamentskandidaten gilt, wurde bisher nicht umfassend untersucht. Insofern bietet die Deutsche Kandidatenstudie 2005 auch die Möglichkeit, dieser Frage näher nachzugehen.

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3Politische Rekrutierung

Die politische Rekrutierung ist in gewisser Weise die Kehrseite der deskriptiven Repräsentation sozialstruktureller Merkmale. Politische Rekrutierung bezeichnet den Vorgang, durch den politisches Personal angeworben bzw. ausgesucht wird. Unter politischem Personal verstehen wir Kandidaten für und Inhaber von innerparteilichen Funktionen und öffentlichen Ämtern, und zwar sowohl ehrenamtlichen (unbezahlten) als auch hauptamtlichen (bezahlten).

In modernen repräsentativen Demokratien ist die politische Rekrutierung eine zentrale Aufgabe politischer Parteien. Diese können sie gut oder weniger gut ausfüllen. Fragen, deren Beantwortung Urteile über die Qualität politischer Rekrutierung informieren können, sind u.a.: Wie steht es mit dem politischen Nachwuchs, d.h. sind die Parteien in der Lage, junge Mitglieder und Kandidaten für innerparteiliche Funktionen und öffentliche Ämter zu gewinnen? Was ist mit den Frauen, gibt es geschlechtsspezifische Rekrutierungspfade? Und schließlich: wie weit reichen die Rekrutierungsanstrengungen der Parteien in die Gesellschaft hinein, oder rekrutieren sich Politiker aus Politikern?

Die Deutsche Kandidatenstudie 2005 hält Antworten auf diese Fragen bereit, zumindest für die Bundesebene der deutschen Politik. Geschlecht und Alter der Kandidatinnen und Kandidaten wurden genauso erhoben wie innerparteiliche und öffentliche Karrierewege und Angaben zur Erwerbstätigkeit. Hier sollen auch international-vergleichende Analysen angestrengt werden, da der institutionelle Kontext – etwa das Wahlrecht – auf die Rekrutierungserfolge einen nicht unwesentlichen Einfluss nehmen sollte.

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4.  Die Kandidaten im Wahlkampf

Die neuere einschlägige Literatur zu Wahlkämpfen in der Demokratie ist durch die Konzepte der „Modernisierung“ und der „Amerikanisierung“ bestimmt. Mit diesen Begriffen ist die These verbunden, dass sich die Strukturen und Strategien von Wahlkämpfen in der jüngeren Vergangenheit verändert haben. Die Professionalisierung des Wahlkampfes durch den Einsatz externer, spezialisierter Berater gilt als ein strukturelles Merkmal „modernisierter Wahlkämpfe“. Neuartige Kommunikations­techniken wie „direct mailing“ wurden als ein weiterer empirischer Indikator „modernisierter Wahlkämpfe“ in den Vordergrund gerückt.

Die Debatte um „modernisierte Wahlkämpfe“ sieht Wahlkämpfe vorrangig als ein Phänomen politischer Kommunikation. Die durchgeführte Kandidatenstudie untersucht Wahlkämpfe dagegen aus einer politikwissenschaftlichen bzw. repräsentations­theoretischen Perspektive. Aus dieser Sichtweise stellt sich die Frage nach den konkreten Strukturen, durch die Bürger und Staat verknüpft werden und die maßgeblich das Phänomen der Repräsentation auf all seinen verschiedenen Bedeutungsebenen prägen. Konkret rückt diese Perspektive das Verhältnis zwischen Kandidaten und Parteien im Wahlkampf in den Blick und damit die Frage, welche Form von Wahlkampf von welchem Akteur betrieben wird. Das Modell der Parteiendemokratie setzt voraus, dass Kandidaten als Vertreter ihrer Partei agieren, die Parteiprogramme nach außen kommunizieren und ihren Wahlkampf in enger organisatorischer Abstimmung mit ihrer Partei im Rahmen der vorgegebenen Strategien führen. In der durchgeführten Kandidatenstudie sollten diese Annahmen empirisch geprüft werden. Die Impulse für eine solche Prüfung erwachsen zum einen aus impressionistischen Hinweisen auf personalisierte Wahlkampagnen auf der Ebene einzelner Wahlkreise. In solchen Kampagnen stellen Kandidaten ihre eigene Person sowie parteiunabhängige Positionen im Rahmen kandidatenzentrierter Strukturen in den Mittelpunkt. Angesichts der Schwäche politischer Parteien, gemessen an den abnehmenden Mitgliederzahlen und schwächer werdender subjektiver Bindungen der Wähler, werfen darüber hinaus die Frage auf, inwieweit Parteien überhaupt noch im Stande sind disziplinierte bzw. koordinierte Wahlkämpfe zu führen.

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5.  Die Einstellungen der Kandidaten

Die Einstellungen politischer Kandidaten sind aus drei Perspektiven von großem Interesse für die Untersuchung Repräsentativer Demokratien. Die ersten beiden Perspektiven sind normativer Natur. Die normative Grundannahme in der modernen Demokratie ist erstens die der Responsivität politische Repräsentanten gegenüber ihren Wählern. Mit diesem Begriff ist der Gedanke umschrieben, dass die Interessen der Wähler in der staatlichen Willensbildung weitestgehend Berücksichtigung finden sollten. Die Erhebung der Einstellungen politischer Kandidaten liefert einen Teil der Informationsgrundlage, auf der die tatsächliche Kongruenz der Einstellungen von Eliten und Wählern untersucht werden kann. Zweitens geht die normative Demokratietheorie von der Annahme aus, dass in demokratischen Wahlen Alternativen zu Wahl stehen sollten. Die vorliegende Kandidatenstudie kann Hinweise darauf liefern, inwieweit in bestimmten Politikfeldern vor Ort Alternativen im Wahlkampf präsentiert wurden, gemessen an Unterschieden zwischen den Kandidaten auf der Ebene ihrer Einstellung, oder inwieweit gleichgerichtete Einstellungen zu spezifischen Fragen der Politik auf das Gegenteil hindeuten.

Die dritte analytische Frage, die sich mit der Ebene der Einstellungen von politischen Kandidaten verbindet, entspringt der empirischen Demokratietheorie. Der Kreis der politischen Kandidaten umfasst politische Eliten auf unterschiedlichen Hierarchie­ebenen, die maßgebliche Entscheidungsträger in der gesellschaftlichen und staatlichen Willensbildung darstellen. In ihren Einstellungen spiegelt sich eine wichtige Grundlage zukünftiger Entscheidungsfindung. Die aktuelle Kandidatenstudie konzentriert sich in diesem Zusammenhang auf die Erhebung wichtiger Fragen der materiellen Politik. Zudem werden Fragen der Institutionenpolitik thematisiert. Der Debatte um die Ausweitung von Partizipationschancen in der staatlichen und innerparteilichen Willensbildung kommt dabei z.B. eine wichtige Rolle zu.

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Wissenschaftliche Leitung der Deutschen Kandidatenstudie 2005

Prof. Thomas Gschwend, Ph.D.
PD Dr.
Hermann Schmitt

Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung

Dr. Andreas M. Wüst
PD Dr.
Thomas Zittel





Schwerpunkte Strategisches Wahlverhalten und Wahlkampf

Schwerpunkt Politische Einstellungen; internationale Koordination
DFG-Projekt:
Wahlkämpfe im Wahlkreis: Individualisierung politischer Repräsentation?


Schwerpunkt Politische Repräsentation;
Projektmanagement

Schwerpunkt Wahlkampf; Hauptantragsteller des Projekts

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