Jakob Edler  
  Institutionalisierung europäischer Politik   vergrößerte Ansicht in neuem Fenster    
  Die Genese des Forschungsprogramms BRITE als reflexiver sozialer Prozeß   
   
  364 S., Baden-Baden, Nomos, 2000  
  ISBN: 3-7890-6777-6  
     

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Inhaltsverzeichnis

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Abstract (dt.)

Vorliegende Studie untersucht die Genese des europäischen Forschungsprogramms BRITE. Mit BRITE fördert die EG seit 1985 die grenzüberschreitende Kooperation in der Forschung und Entwicklung in industriellen Technologien. Die Untersuchung zeigt, wie sich neue wissenschaftliche Ideen zur anwendungsorientierten Forschung in einem europäischen Diskurs durchsetzten und sich mit dem Integrationsgedanken zu einer neuen politischen Leitidee in Europa verbanden. Sie veranschaulicht beispielhaft, wie in einem komplexen und heterogenen Europa die Produktion von Konsens zur Vergemeinschaftung von Politik möglich wird. Dabei gewinnt die Studie verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse über Prozesse des Agenda-Setting und der Politikentstehung in der EG. Sie leistet darüber hinaus einen theoretischen Beitrag zur Systematisierung der Bedeutung von Ideen und Interaktionen auf europäischer Ebene.

Abstract (engl.)

The basis of European research policy since the mid eighties is a complex "guiding policy idea". This guiding policy idea consists of two closely related claims, namely (a) that trans-border co-operation in research and development serves private profit interests and overall economic growth and (b) that trans-border co-operation will also be a trigger for closer European integration. Despite the traditionally very divergent interests and world views in the area of research policy throughout the EC member states, negotiations on distributive specific R&D-programmes did not meet much resistance: in fact, there was almost unanimity on the logic of the new policy approach. This paper explains the build up of this broad consensus - which turned out to be instrumental for the Europeanisation of research and development policy - by focusing on three elements. These are (a) the role of trans-border social interaction, (b) ideational discourse and (c) the European Commission, which, once the discourse gained momentum, successfully took on the role of a process manager.
The analysis is based on a reflexive-institutional understanding of the political process. The main theoretical premise of the paper is that all politics is based on interpretations of the problem at hand and of the underlying causalities. Interpretation is shaped by a set of ideas which are regarded as valid and appropriate by a majority of relevant actors. Hence, consensual political concepts are not the result of bargaining between actors with clear-cut interests, but rather a result of cognitive processes and ideational discourse that take place through social interactions.
Taking the genesis of BRITE (Basic Research for Industrial Technologies in Europe) as an example, the study analyses the emergence of a perception that the EC faced problems in the field of research and development in the 1970s and then looks in detail at the process of constructing a new policy concept that could serve to tackle the problem. It is shown that the institutionalisation of the new policy did not start with the negotiations between political decision makers. Quite the reverse, institutionalisation was the result of manifold transnational and European interactions between scientific experts, industrial stakeholders and European and national administrative specialists. This web of interactions gradually led to the formation of a new European discursive space and finally to the breakthrough of a dominant interpretation shared by most - not all - relevant actors in the field. This construction of a pre-political consensus paved the way for political decisions that, by and large, followed the new consensus of experts and stakeholders. At the same time, alternative concepts - such as the free-market based approach pursued by the German economics ministry - were marginalized.

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Die Leitidee der europäischen Forschungs- und Technologiepolitik
1. Das Ziel der Studie
1.3 Das Forschungsprogramm BRITE
1.4 Der Aufbau der Arbeit
2. Ein reflexiv-institutioneller Ansatz zur Erklärung der Genese europäischer F&-T-Politik
2.1 Einleitung
2.2 Abgrenzung: alternative Charakterisierungen von Institutionen
2.2.1 Rational Choice: unzureichende Systematisierung der "Entzifferung der Welt"
2.2.2 Historisch-struktureller Neoinstitutionalismus: Grundlagen und offene Flanken für einen reflexiven Institutionalismus
2.3 Bausteine eines reflexiv-institutionalistischen Ansatzes
2.3.1 Interpretatives Politikverständnis und soziologisches Institutionenverständnis
2.3.2 Konzeptionalisierung der Institutionalisierung einer Leitideen
2.3.2.1 Verbindung ideenzentrierter und interaktiv-verstehender Ansätze
2.3.2.2 Die Grundlage zum Verständnis von Leitideen: der Ansatz Harious
2.3.2.3 Leistungsanforderungen an Leitideen
2.3.2.4 Entfaltung der Leitideenfunktionalität
2.3.2.4.1 Die Bedeutung von Interaktion
2.3.2.4.2 Ausdifferenzierung der Bedingungen zur Funktionsentfaltung
2.3.3 Zusammenfassung: ein leitideenzentriertes Modell der Institutionalisierung
2.4 Bedingungen für F&T-Politik in der EG
2.4.1 Europäische F&T-Politik: ein Konsensdilemma
2.4.1.1 Steuerungsproblematik
2.4.1.2 Multiple Heterogenität
2.4.1.3 Komplexität, Dynamik und die Funktion von Experten
2.4.2 Die EG-Kommission als "zentraler Akteur" in einem heterogenen Kontext
2.5 Die leitenden Thesen der Arbeit
2.6 Methodik und Vorgehensweise
3. Vorgeschichte: die gescheiterte Institutionalisierung früher Initiativen
3.1. Einleitung
3.2 Die erste technologische Lücke
3.3 Konzeptionelle Suchprozesse in der EG
3.4 Kompromißentschließungen von 1974
3.5 Interpretation der gescheiterten Institutionalisierung
3.5.1 Vorbemerkung
3.5.2 Strukturelle Heterogenität und nationale Beharrung
3.5.3 Konzeptioneller Dualismus
3.5.3.1 Gemeinsame F&-T-Politik in der EG
3.5.3.2 Koordinierung
3.5.4 Ideenadvokat?
3.5.5 Dysfunktionale Interaktionsmuster
3.6 Fazit
4. Transnationaler Expertendiskurs: Entwicklung und Verbreitung neuer Ansätze in der F&T-Politik
4.1 Einleitung
4.2 Die Synthese der theoretisch-konzeptionellen Grundlagen
4.2.1 Traditionelle Begründung staatlicher F&T-Aktivitäten
4.2.2 Ein neues Innovationsparadigma: drei Gründe für verstärkte Kooperationen
4.2.2.1 Der generische Charakter neuer Technologien
4.2.2.2 Vom Linearmodell zum Kopplungsmodell
4.2.2.3 Das F&T-System als sozio-institutionelles Arrangement
4.2.3 Das neue techno-ökonomische Paradigma: transnationale Redefinition eines Politikfeldes
4.2.3.1 Ausgangsbedingungen
4.2.3.1.1 Entwicklung der Zwecksetzung staatlicher F&T-Politik-
4.2.3.1.2 Veränderter makroökonomischer Kontext
4.2.3.2 Die Bündelung der Expertise unter dem Dach der OECD
4.2.3.3 Ein neues techno-ökonomisches Paradigma
4.2.3.4 Der Entwurf der OECD-Experten
4.2.4 Die internationale Dimension des Kooperationsnutzens
4.2.4.1 Status quo internationaler F&E-Aktivitäten
4.2.4.2 Staatlicher und privater Nutzen internationaler Kooperationen
4.2.5 Zusammenfassung: eine neue internationale Norm in der F&T-Politik
4.3 Zur Funktionalität des institutionalisierten Expertendiskurses in der OECD
4.3.1 Zweck, Struktur und Arbeitsweise
4.3.2 Institutionelle Spezifika und konzeptionelle Autorität
4.4 Internationale Verbreitung der neuen Ideen: Interaktionen jenseits der OECD
4.4.1 Einleitung
4.4.2 Synopse wichtiger internationaler Konferenzen
4.4.3 Dauerhafte europäische Diskursforen
4.4.4 Forschungspolitische Deliberation für den Weltwirtschaftsgipfel
4.5 Protagonisten der Ideentransmission
5. Programmgenese als europäische Institutionenpolitik: die interaktive Definition von BRITE
5.1 Einleitung
5.2 Der Weg zu einem europäischen forschungspolitischen Industriediskurs
5.2.1 Anfänge einer institutionalisierten Interaktion auf europäischer Ebene
5.2.2 Notwendigkeit neuer Interaktionsformen
5.2.3 CORDI: institutionelle Innovation zur interaktiven Konzeptkonstruktion
5.2.4 Funktion und Erwartungen eingebundener Industrieverbände
5.2.4.1 UNICE
5.2.4.2 BDI
5.2.5 Die zweite technologische Lücke
5.3 Europäisierung der transnationalen Paradigmen: die "Straßburger Logik"
5.4 Konvergenz von Problemsichten und Lösungsvorstellungen
5.4.1 Die Kriseninterpretation in der EG
5.4.2 Etablierung einer dominanten Lösungsoption
5.5 Interaktive Konkretisierung und Verbreitung der Konzeptidee: der BRITE-Diskurs
5.5.1 Industrie
5.5. 1.1 Die Arbeit im CORDI
5.5.1.2 Grenzen des Konsenses
5.5.1.3 Dynamik der Industrieeinbindung
5.5.2 Wissenschaft
5.5.2.1 Die doppelte Bedeutung der Wissenschaft
5.5.2.2 Die zentrale BRITE-Studie: ein Beispiel für die Bedeutung fachspezifischer Expertise
5.6 Fazit: das Zusammenwirken von Idee, Interaktion und Identitätsentwicklung
6. Normative Katalyse: die fachpolitische Konzeptidee im Integrationsdiskurs
6.1 Die europäische Leitidee in der F&T-Politik
6.2 Die Verbindung forschungspolitischer und integrationspolitischer Logik
6.2.1 Forschungspolitische Dynamik in der "Haute Politique" der EG
6.2.2 Die integrationspolitische Perspektive in Deutschland
6.2.2.1 Funktion und Bedeutung des Auswärtigen Amtes im forschungspolitischen Diskurs der EG
6.2.2.2 Die normative Aufwertung der forschungspolitischen Konzepte
6.3 Fazit: die innere Logik der forschungspolitischen Leitidee
7. Widerstand, Kompromiß, Konsens: die europäische Leitidee und die deutsche Ministerialbürokratie
7.1 Einleitung: der qualitative Sprung des BRITE-Konzeptes und die Advokatenrolle der GD XH
7.2 Voraussetzung der interadministrativen Abstimmung
7.2.1 Die Bedeutung internationaler und interadministrativer Verschränkung
7.2.2 Unterschiedliche institutionelle Rationalitäten deutscher Ministerien
7.2.2.1 Institutionalisierte Differenzen
7.2.2.2 Fiskalische Rationalität im BMF
7.2.2.3 Ordoliberale Rationalität und nationaler Horizont im BMWi
7.2.2.4 Entwicklung von Rationalitäten im BMFT
7.2.2.4.1 Der strukturpolitische Steuerungsanspruch der siebziger Jahre
7.2.2.4.2 Einführung und Bedeutung der Verbundforschung
7.2.3 Strukturelle Ausgangsposition: Selbstgewißheit nationaler Stärke
7.3 Mechanismen und Begründungen interaktiver Konsensformulierung zwischen der GD XII und der deutschen Ministerialbürokratie
7.3.1 Einleitung
7.3.2 Fremde Welten: normativ abgeleitete Konzeptbrücken mit dem BMWi
7.3.2.1 Konkretisierung der Kritik an BRITE
7.3.2.2 Kooperation als Binnenmarktargument
7.3.3 Parallele Orientierung: institutionell bedingter Konzeptkonsens mit dem BMFT
7.3.3.1 Das erklärungsbedürftige Rätsel: grundsätzliche Akzeptanz trotz Stärke
7.3.3.2 Konzeptionelle Anschlußfähigkeit
7.3.3.3 Institutionelle Parallelitäten
7.3.3.4 Institutionelle Verschränkung
7.3.3.4.1 Routinisierte Interaktion in Brüssel
7.3.3.4.2 Gemeinsame internationale Einbindung im transnationalen Fachdiskurs jenseits der EG
7.4 Fazit
8. Die BRITE-Genese im Vergleich
8.l. ESPRIT: sektorale Konzertierung
8.1.1 Einleitung
8.1.2.1 Die ESPRIT-Genese in reflexiv-institutionalistischer Perspektive
8.1.3 BRITE und ESPRIT: Unterschiede und Wechselwirkungen
8.2 EUREKA: politische Entstehungslogik
9. Schlußfolgerungen
9.1 Der Wesenskern des Institutionalisierungsprozesses
9.2 Die BRITE-Genese: Institutionalisierung durch mehrstufige Interaktion
9.3 Problemdimensionen der interaktiven Konzeptkonstruktion
9.4 Die Kommission zwischen ideeller Eigendynamik und politischer Führung
9.5 Bedingungsfaktoren für Institutionalisierungsprozesse
9.6 Der Wert des reflexiv-institutionalistischen Ansatzes in verg1eichender Perspektive
  Anhang
1. Die Entwicklung des Programms BRITE (BRITE-EURAM)
1.1 Budgetierung und technologische Bereiche
1.2 Systematisierung des BRITE-Programms
2. Tabellen zu Forschungsausgaben und Forschungsschwerpunkten in Europa
  Literaturverzeichnis

 

Biografische Angaben:

Dr. rer. pol. Jakob Edler, geb. 1967, studierte Politikwissenschaften und Neuere/Wirtschafts- u. Sozialgeschichte (M.A. 1995) sowie Betriebswirtschaftslehre (Dipl.-Kaufm. 1996) in Mannheim und am Dartmouth College Hanover NH, USA; 1999 Promotion an der Universität Mannheim; 1997/98 Mitarbeiter der GD XII der Europäischen Kommission, 1998/99 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, seit 1999 Projektleiter am Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe.