Christian H.C.A. Henning  
  Macht und Tausch in der europäischen Agrarpolitik    
  Eine positive Theorie kollektiver Entscheidungen   vergrößerte Ansicht in neuem Fenster  
  [Mannheimer Beiträge zur politischen Soziologie und positiven politischen Theorie, Herausgegeben von Franz Urban Pappi und Jan van Deth, BAND 1]  
  292 S., Frankfurt am Main, Campus Verlag, 2000  
  ISBN 3-593-36593-6  
     

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Abstract (dt.)

Ausgehend von Black's Median Voter Theorem ist die formale Modellierung mehrdimensionaler kollektiver Entscheidungen ein zentrales Problem der Social und Public Choice Theorie. In diesem Zusammenhang werden die klassischen "log-rolling" und "vote trading" Modellen mit neueren Ansätzen der Institutionellen Ökonomie und des Legislative Bargaining zu einem operationalen tauschtheoretischen Ansatz integriert. Das abgeleitet politische Tauschmodell wird zur Erklärung und quantitativen Prognose von politischen Entscheidungen in der Gemeinsame Europäische Agrarpolitik angewendet. Im theoretischen Teil (Kapitel 2-5) erfolgt zunächst die Ableitung eines legislativen Entscheidungsmodells auf der Grundlage des Mean Voter Theorems, das im Rahmen nicht-kooperativer legislativer Bargaining Modelle als Generalisierung von Black's Median Voter Theorem auf multidimensionale Entscheidungen verstanden werden kann. In einem zweiten Schritt wird das Modell um den politischen Einfluss von Interessengruppen zu einem generellen politischen Entscheidungsmodell erweitert. Ausgehend von der Kritik der institutionellen Ökonomie und der politischen Soziologie an den klassischen "log-rolling" und "vote trading" Modellen werden eine Reihe interessanter theoretischen Implikationen aus dem Ansatz abgeleitet, u.a.: (1) Die Organisation des politischen Kontrolltauschs in Politiknetzwerken korrespondiert mit einem informellen institutionellen Rahmen, der opportunistisches Verhalten der Akteure einschränkt und damit die Transaktionskosten des Kontrolltauschs erheblich reduziert. (2) Die politische Debatte definiert einen Tâtonement-Prozeß, in dem ein Marktgleichgewicht über "recontracting" bzw. "false trading" erzielt wird. (3) Politischer Tausch ist im allgemeinen weder Pareto-optimal noch Pareto-dominant gegenüber der Situation ohne Tausch. Der empirische Teil (Kapitel 6-7) umfasst die Ableitung und Anwendung einer reduzierten Form des Modells zur Analyse der MacSharry Reform als konkrete politische Entscheidung in der Europäischen Agrarpolitik. Hauptergebnis ist eine sehr gute empirische Bestätigung des abgeleiteten Modells, so konnten die insgesamt 67 Teilissues mit einem durchschnittlichen Fehler von knapp 18% prognostiziert werden. Weiterhin werden quantitative Macht- und Einflussstrukturen der 120 relevanten nationalen und supranationalen Institutionen und Interessengruppen aus den empirisch erhobenen Policy-Netzen herausgearbeitet.

Abstract (engl.)

Starting with Black's Median Voter Theorem formal modeling of multidimensional collective decision-making has been a central issue in social and public choice theory. In this context the book derives an operational political exchange theory by integrating classical models of log-rolling and vote trading with new developments in institutional economics and models of non-cooperative legislative bargaining. Empirically, this theory is applied to political decision-making of the Common European Agricultural Policy (CAP). The theoretical part of the book (chapter 2-5) contains the derivation of a model and a discussion of its major theoretical implications. First, in the framework of non-cooperative legislative bargaining a model of legislative decision-making - based on a Mean Voter Theorem - is derived. The latter can be interpreted as a generalization of Black's Median Voter Theorem to multidimensional decisions. In a second step the model is extended to a general political exchange model incorporating the political influence of interest groups. Starting from critique of the classical political exchange theory formulated by institutional economists and political sociologists, some interesting theoretical implications of the model are discussed: (1) The organization of political exchange in networks corresponds with an informal institutional environment that impedes opportunistic behavior and therefore reduces transaction costs of political exchange significantly. (2) The political debate defines a tâtonement process where market equilibrium is derived via recontracting or false trading. (3) In general political exchange is neither Pareto-optimal nor Pareto-dominant in comparison to a situation without exchange. The empirical part (chapter 6-7) presents an application of a reduced form of the derived political exchange model to analyze the MacSharry reform as a specific empirical political decision within the CAP. The main result is a sophisticated empirical support of the model, i.e. in average 67 political issues could be predicted with an error of less than 18%. Moreover, quantitative power and influence structures among 120 relevant national and supranational political institutions and interest groups are derived from empirical policy-network data.

Inhaltsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Verzeichnis der Organisationsabkürzungen
Vorwort der Herausgeber
Vorwort des Verfassers
1. Einleitung
2. Eine positive Theorie politischer Entscheidungen: Begriffsdefinitionen, Literaturüberblick und Einordnung der Arbeit
2.1 Politik als Lösung eines gesellschaftlichen Grundproblems: Einordnung und begriffliche Definitionen
  2.1.1  Politische Entscheidungen als gesellschaftliches Grundproblem
  2.1.2  Ableitung idealtypischer politischer Entscheidungssysteme
2.2 Grundfragen und Analysemethoden einer positiven politischen Entscheidungstheorie: Ein Literaturüberblick
  2.2.1 Grundfragen
  2.2.2 Analyse politischer Entscheidungen im Rahmen eines allgemeinen politischen Gleichgewichts
  2.2.3 Der Beitrag politischer Tauschmodelle zur positiven Theorie politischer Entscheidungen 
2.3 Einordnung der Arbeit
3. Formale Ableitung eines theoretischen Grundmodells für politischen Tausch
3.1 Colemans ideales System kollektiver Entscheidungen   
3.2 Ein legislatives Entscheidungsmodell auf der Grundlage des Mean-voter-Theorems
  3.2.1 Das Mean-voter-Theorem 
  3.2.2 Ableitung individueller Präferenzen für legislative Kontrollressourcen
  3.2.3 Ableitung der individuellen legislativen Kontrollnachfrage und eines Marktgleichgewichts für legislativen Kontrolltausch
3.3 Erweiterung des legislativen zu einem allgemeinen politischen Entscheidungsmodell
  3.3.1 Einführung von Interessengruppen in das legislative Entscheidungsmodell
  3.3.2 Ein generelles Marktgleichgewicht für politischen Kontrolltausch
4. Die Organisation von politischem Kontrolltausch
4.1 Das Enforcement-Problem und die Organisation von politischem Tausch in Netzwerken   
4.2 Positionstausch und recontracting in der politischen Debatte: Ein Tâtonement-Prozeß in Abwesenheit eines generellen Tauschmediums 
4.3 Nested Politikpräferenzen als Funktionsäquivalent zu Geld als Recheneinheit 
4.4 Die Organisation des politischen Tauschs in Politikfeldnetzwerken: Ein segmentiertes Marktgleichgewicht unter expliziter Berücksichtigung von Transaktionskosten  
5. Theoretische Implikationen des abgeleiteten politischen Tauschmodells
5.1 Zur Pareto-Optimalität von politischem Tausch   
5.2 Politische Macht, politischer Einfluß und Glück  
5.3 Ableitung einer Typologie politischer Interessenvermittlungssysteme   
6. Ableitung und empirische Anwendung eines operationalen politischen Tauschmodells am Beispiel der Europäischen Agrarpolitik
6.1 Der politische Kontext der MacSharry-Reform    
  6.1.1 Historischer Überblick über die Europäische Agrarpolitik 
  6.1.2 Der legislative Entscheidungsprozeß in der Europäischen Agrarpolitik 
  6.1.3 Interessenvermittlung in der Europäischen Agrarpolitik 
  6.1.4 Relevante Mikro- und Makroissues der MacSharry-Reform
6.2 Ableitung eines operationalen politischen Tauschmodells    
6.3 Daten   
  6.3.1 Identifikation der relevanten politischen Akteure
  6.3.2 Erhobene Policy-Netzwerke
  6.3.3 Erhebung der politischen Kontrollressourcenausstattung und der Politischen Präferenzen
6.4 Empirische Ergebnisse   
  6.4.1 Prognose der MacSharry-Reform mit dem politischen Tauschmodell und alternativen Prognosemodellen 
  6.4.2 Politische Macht- und Einflußstrukturen in der Europäischen Agrarpolitik
  6.4.3 Politische Entscheidungsmacht und Politischer Einfluß
7. Politikfeldnetzwerke, Politische Marktstrukturen und das Interessenvermittlungssystem der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik
7.1 Das Interessenvermittlungssystem der GAP: Supranationaler Pluralismus oder nationaler Klientelismus? Ein Netzwerkansatz
  7.1.1 Die GAP als national klientelistisches System
  7.1.2 Die GAP als supranationaler Pluralismus
  7.1.3 Folgerung aus den bisherigen Analysen
7.2 Die Blockmodellanalyse zur Identifizierung von Interessenvermittlungsstrukturen   
7.3 Politische Marktstrukturen zur Identifikation des Interessenvermittlungssystems  
     
Zusammenfassung
Literatur    

Autoreninformation

PD Christian H.C.A. Henning, Dr. rer.pol. Dr. sc.agr., ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Universität Mannheim. Von 1993 bis 1997 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am MZES. Er studierte an den Universtäten Kiel und Mannheim Agrarökonomie, Soziologie, Politikwissenschaften, Mathematik und Volkswirtschaftslehre.