Johannes Kopp (Hrsg.)  
  Methodische Probleme der Familienforschung    
  Zu den praktischen Schwierigkeiten bei der Durchführung einer empirischen Untersuchung   vergrößerte Ansicht in neuem Fenster  
  [Studienbücher zur quantitativen und qualitativen Wirtschafts- und Sozialforschung, BAND 5 ]  
  222 S., Frankfurt am Main, Campus, 1997  
  ISBN: 3-593-35713-5  
     

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Inhaltsverzeichnis

 

 

Zum Inhalt:

Wenn man die im Rahmen der Familienforschung erschienenen Monographien und Zeitschriftenbeiträge der letzten Jahre betrachtet und mit der etwas älteren familiensoziologischen Diskussion - vor allem in Deutschland - vergleicht, so fällt eine verstärkte Hinwendung zu empirischen Fragestellungen auf. Nicht mehr nur allgemeine Diskussionen zur Entwicklung der Institution der Familie oder Betrachtungen über Funktionsverlust oder Funktionswandel, sondern konkrete empirische Forschungsprobleme, wie etwa die Frage nach den Bestimmungsgrößen des Übergangs zwischen verschiedenen Phasen des Familienzyklus oder die empirische Überprüfung verschiedener, aus allgemeinen Theorien, wie etwa der Familienökonomie, abgeleiteten Hypothesen oder auch demographisch-deskriptive Problemstellungen, stehen heute verstärkt im Mittelpunkt des Interesses.

Den Ausgangspunkt der in diesem Band zusammengefaßten Arbeiten bildete eine eher allgemeine soziologische Frage und der Versuch, diese Fragestellung empirisch umzusetzen. Startpunkt war die Überlegung, wie sich soziale Beziehungen in modernen Gesellschaften gestalten, inwiefern Modernisierungsprozesse hier ansetzen und welche Veränderungen sich dabei allgemein beobachten lassen. Schnell wurde dabei deutlich, daß sich eine derartige Problemstellung empirisch nicht in dieser Allgemeinheit, sondern nur anhand einer konkreten Fragestellung bearbeiten läßt. Vor diesem Hintergrund geriet die familiensoziologische Frage nach den Veränderungen und Bestimmungsgrößen der ehelichen Stabilität in den Mittelpunkt des Interesses. Das gestiegene Scheidungsrisiko wird ja gerade in der Individualisierungsdiskussion als Indiz für die gesellschaftliche Veränderung herangezogen.

Bei der theoretischen Konzeptionalisierung wurde jedoch auch deutlich, daß die bislang zur Verfügung stehenden Datensätze aus vielfältigen Gründen unzureichend sind, die vorhandenen und teilweise weiterentwickelten theoretischen Modelle zu überprüfen. Die immer nur partielle Erfassung wichtiger theoretischer Konstrukte und die trotz großer Datenmenge letztlich für tiefergehende Subgruppenanalysen zu geringe Zahl von Geschiedenen erscheint eine eigene Datenerhebung unumgänglich zu machen. Bevor nun allerdings mit der Datenerhebung zur Überprüfung der inhaltlichen Modelle und Erklärungen begonnen werden konnte, mußte eine Reihe - teilweise komplexer - methodischer Fragen beantwortet werden. Der vorliegende Band soll diese Arbeiten und die daraus gewonnenen Ergebnisse vorstellen. Auch wenn der Ausgangspunkt die Vorbereitung einer Untersuchung über Bestimmungsgrößen der ehelichen Stabilität darstellt, so sind die Ergebnisse doch für die weitere familiensoziologische Arbeit und teilweise sogar generell für die sozialwissenschaftliche empirische Forschung von Bedeutung. Ziel ist es hierbei aber nicht, einen allgemeinen Überblick über die methodischen Probleme der Umfrageforschung zu geben, sondern praktische Erfahrungen bei der Umsetzung theoretisch abgeleiteter Forschungshypothesen in eine empirische Untersuchung und vor allem die Besonderheiten der empirischen Familienforschung vorzustellen. Das Buch stellt somit eine Art Werkstattbericht dar, der die Probleme, die teilweise wohl unumgänglichen Irrwege und die zum Teil sehr pragmatischen Lösungen vorstellt.

Insgesamt orientieren sich die Beiträge in diesem Band an sechs Leitfragen. Zuerst ist zu klären, inwieweit die Erhebung eigener Daten überhaupt noch notwendig ist. Dabei ist zu überlegen, ob sich nicht auch eine Reihe wichtiger Ergebnisse alleine mit Hilfe der amtlichen Statistik gewinnen lassen und so eigene Erhebungen an Dringlichkeit verlieren (1). Selbst wenn man diese Frage verneinen muß - man also mit Hilfe der amtlichen Statistik nicht alle Fragen lösen kann -, gilt es zu überprüfen, ob bereits vorhandene, sozialwissenschaftlich orientierte Datensätze eine Antwort auf die theoretisch abgeleiteten Fragen geben können (2). Wenn man auch diese Frage negativ beantworten muß und sich der Aufgabe gegenüber sieht, eine eigene Datenerhebung zu planen und durchzuführen, so stellt sich die Frage, auf welche Weise man eine geeignete Stichprobe zur Überprüfung der theoretischen Modelle realisieren kann (3). Theoretisch beziehen sich die Modelle ehelicher Stabilität - natürlicherweise - auf das Paar. Bei der praktischen Umsetzung zeigt sich jedoch rasch, daß eine Paarbefragung, also die Befragung beider Ehepartner, nicht realisierbar ist. Schon Befragungen stabiler Beziehungen würden einen enormen finanziellen Aufwand erfordern. Die Befragung beider Ehepartner von in der Zwischenzeit geschiedenen Ehen erscheint allein aus erhebungstechnischen Gründen einfach unmöglich. Sind die Angaben beider Partner nun aber wirklich notwendig? Reicht es nicht schon aus, Aussagen über einen Ehepartner zu berücksichtigen? Da auch diese Frage zu verneinen sein wird, bietet sich als Lösungsmöglichkeit an, auf sogenannte Proxy-Interviews zurückzugreifen. Inwieweit sind aber die relevanten theoretischen Variablen überhaupt valide durch Proxy-Interviews zu erheben (4)? Da die meisten inhaltlich bedeutsamen Konstrukte sich auf den Lebenslauf und die Biographie der beiden Ehepartner beziehen, es jedoch kaum möglich erscheint, etwa eine Heiratskohorte im Lebenslauf zu verfolgen, muß auf das Mittel der retrospektiven Erhebung kritischer Lebensereignisse zurückgegriffen werden. Hierbei muß geklärt werden, ob dies auch für die wichtigsten theoretischen Konstrukte der Scheidungsforschung möglich ist (5). Auch wenn all diese methodischen Probleme für die Untersuchung ehelicher Stabilität gelöst werden können, ist ein weiteres Hindernis zu überwinden, bevor schließlich die empirische Untersuchung durchgeführt werden kann: Es ist zu klären, inwieweit die bedeutsamen theoretischen Konstrukte schon in handhabbare Erhebungsinstrumente umgesetzt wurden oder inwiefern hier noch wichtige Arbeiten zu leisten sind (6).

 

Inhaltsverzeichnis

Johannes Kopp  : Methodische Probleme der Familienforschung - Eine Vorbemerkung
Christian Babka von Gostomski, Heike Diefenbach, Josef Hartmann, Johannes Kopp  : Geschiedene als seltene Population: Evaluation verschiedener Verfahren zur Auswahl einer Stichprobe
Johannes Kopp  : Die Notwendigkeit von Paarinformationen: Empirische Ergebnisse der Scheidungsforschung und ihre theoretische Begründung
Christian Babka von Gostomski  : Übereinstimmung und Konsistenz von Proxy- und Beziehungsangaben
Christian Babka von Gostomski,Josef Hartmann  : Zur Problematik von Retrospektivbefragungen
Josef Hartmann, Renate Simon  : Zur Messung der Ehequalität: Theoretische Überlegungen, empirische Ergebnisse und praktische Folgerungen
Josef Hartmann  : Die Messung der subjektiven Einschätzung der ehelichen Instabilität. Übertragung und Überprüfung eines Meßvorschlages
Christan Babka von Gostomski  : Überblick über die verwendeten Datensätze