Bildungsentscheidungen in Migrantenfamilien
Ziel des Forschungsprojekts war es, der Frage nach den Ursachen für das schlechtere Abschneiden von Migranten im deutschen Bildungssystem nachzugehen. Der Fokus richtete sich dabei auf den ersten Bildungsübergang am Ende der Grundschulzeit, bei dem es zu einer zentralen Weichenstellungen für die weitere schulische und berufliche Laufbahn kommt. Konkret wurde die Frage untersucht, welche Bedeutung den Bildungsentscheidungen beim Zustandekommen der nachteiligeren Schulbesuchsmuster von Migranten in der Sekundarstufe zukommt: Übersetzen sich die durchschnittlich schlechteren schulischen Leistungen von Migrantenkindern in der Grundschule direkt in ungünstigere Übergangsmuster? Kommt es durch ein möglicherweise zurückhaltenderes Entscheidungsverhalten der Eltern zu zusätzlichen Nachteilen? Oder sind sogar Vorteile zu erwarten, beispielsweise wenn die Eltern von Migrantenkindern am ersten Bildungsübergang vermehrt versuchen, ihre hohen Bildungsaspirationen umzusetzen? Diesen Fragen wurde anhand einer Primärdatenerhebung nachgegangen, die in der Stadt Köln durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 1.400 türkischstämmige und einheimische Drittklässler in den Fachbereichen Deutsch und Mathematik getestet sowie deren Eltern in insgesamt drei Erhebungswellen befragt – vor der Bildungsentscheidung am Ende der dritten Klasse, zum Zeitpunkt der Entscheidung Mitte der vierten Klasse und nach erfolgter Anmeldung auf einer der nachfolgenden Schularten am Ende der vierten Klasse. Die Ergebnisse belegen, dass türkischstämmige Kinder bei gleichen schulischen Leistungen und einem vergleichbaren sozialen Hintergrund häufiger auf die anspruchsvolleren Schularten der Sekundarstufe wechseln. Dieser positive Effekt der ethnischen Herkunft ist dabei auf die hohe Bildungsmotivation in türkischen Migrantenfamilien zurückzuführen. Allerdings reichen die hohen Bildungsaspirationen nicht aus, um die bereits bestehenden Unterschiede in Form der schlechteren schulischen Leistungen zu kompensieren. Gleichzeitig zeigen sich am ersten Bildungsübergang keine Hinweise für eine Diskriminierung von türkischstämmigen Kindern durch die Lehrkräfte. Bei gleichen schulischen Leistungen – gemessen mit objektiven Fähigkeitstests – und einem vergleichbaren sozialen Hintergrund erhalten türkische Migrantenkinder ähnliche Bildungsempfehlungen für die weiterführenden Schularten wie ihre einheimischen Klassenkameraden.