Die Auswirkungen der Europäisierung auf die Determinanten für Erfolg und Dauer der deutschen Gesetzgebung
Das dreijährige Projekt zu den „Determinanten für Erfolg und Dauer der deutschen Gesetzgebung“ zielte auf einen Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich der Regierungslehre. Zunächst wurde für den Zeitraum von 1949 bis 2012 eine umfangreiche Akteurs-, Positions- und Gesetzgebungsdatenbank aufgebaut. Damit stehen erstmals auch systematisierte Informationen zu den ersten Legislaturperioden des Deutschen Bundestages für statistische Auswertungen zur Verfügung. Eine weitere Besonderheit besteht in der Generierung politikbereichsspezifischer Positionen für die in der Gesetzgebung wirkenden Akteure, die für jedes ministerielle Portfolio die jeweilige legislative Bedeutung von Konfliktthemen widerspiegeln. Dies entsprach den dimensionalen Anforderungen moderner Theorien zur Gesetzesproduktion und Gesetzgebungsdauer. In der Datenanalyse zeigte sich eine hohe Erklärungskraft der Vetospieler-Theorie für den (Miss-)Erfolg von Initiativen und der Prinzipal-Agenten-Theorie für die Prozessdauer. Insofern wurden Belege für die grundsätzliche Funktionsfähigkeit von (institutionellen) Kontrollen im Verhältnis zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sowie im Binnenverhältnis zwischen Koalitionsparteien vorgefunden.
Das einjährige Fortsetzungsprojekt zu den „Auswirkungen der Europäisierung auf die Determinanten für Erfolg und Dauer der deutschen Gesetzgebung“ befasste sich mit der weiterführenden Frage, ob die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie auch bei europäisierten Gesetzesvorlagen gewahrt bleibt. Die Beantwortung dieser Frage verlangte eine für den gesamten Untersuchungszeitraum einheitliche Erweiterung der zuvor erstellen Akteurs-, Positions- und Gesetzgebungsdatenbank. Die Messung der Europäisierung wurde ausgehend von einer engen Definition (ausschließlich Impulse aus dem politischen System der EU) primär durch eine wörterbuchgestützte Auswertung von Beschreibungen der Initiativen realisiert. Als Ergebnis stach eine zunehmende Europäisierung der bundesdeutschen Gesetzgebung hervor, die konkret mittlerweile mehr als 40% aller Gesetze erfasst. Während die Agenda-Setzungsmacht von Bundestag und Bundesrat infolge der Europäisierung geschwächt wird, nehmen beide Häuser durchaus überproportional Änderungen an (Gesetz gewordenen) europäisierten Entwürfen vor. Multivariate Analysen führten allerdings zu der Feststellung, dass in der europäisierten Gesetzgebung ideologische Distanzen zwischen den Vetospielern wie auch zwischen den Koalitionsparteien nicht mehr ausschlaggebend sind. Auch eine inhaltliche Komplexität verhindert nicht den Erfolg europäisierter Vorlagen, während der Stärke ministerieller Macht größere Bedeutung zukommt. Eine Untersuchung zur deutschen Transposition von EU-Richtlinien lieferte überdies Hinweise auf ein koalitionsfeindliches „Gatekeeping“ der Ressortminister.
Insgesamt scheint eine zunehmende Europäisierung die klassischen Mechanismen politischer Kontrolle zu untergraben und gleichzeitig eine eher bürokratische Beschäftigung des nationalen Parlamentes auszulösen.