Die Entwicklung der organisatorischen Verbindungen von politischen Parteien und Bürgern in Westeuropa (1960-1989)
Das Projekt untersuchte international vergleichend die Frage, wie Parteien über organisatorische Vermittlungsinstanzen ihre Wählerschaften stabilisieren und welche Auswirkungen Veränderungen dieser Vermittlungsstrukturen auf die Wählerbindung haben. Politische Parteien haben im wesentlichen zwei Wege, Wähler dauerhaft an sich zu binden: über die direkte, massenmedial vermittelte Ansprache der Wähler und vermittelt über verschiedene Typen intermediärer Organisationen. Von einer demokratietheoretischen Perspektive betrachtet zwing das Organisationsinteresse der Parteien an dauerhaften Wählerbindungen diese, die Präferenzen ihrer potentiellen Wähler zu berücksichtigen, also über Linkage Responsivität herzustellen. Trotz der wachsenden Möglichkeiten der Survey-Forschung sowie der verfeinerten Methoden des politischen Marketing sind Parteien nach wie vor auf zwischengeschaltete intermediäre Organisationen angewesen, die die Interessen spezifischer Bevölkerungssegmente selektieren und aggregieren und diese dann über formelle oder informelle Interaktionsprozesse in die innenparteilichen Entscheidungsprozesse einbringen. Letztlich handelt es sich hierbei um Verabredungen zwischen den Parteieliten und den Eliten intermediärer Organisationen, die den Tausch von bestimmten Policies gegen die wahlpolitische Mobilisierung der Organisationsmitglieder oder Anhänger zugunsten der jeweiligen Partei zum Gegenstand haben. Diese intermediären Organisationen stellen zusammen mit den Parteimedien relevante Unwelten dar, die es den Parteieliten ermöglichen, über organisatorisch vermittelte Interaktionen ihre Beziehungen zu ihrer Wählerschaft zu verstetigen. Zu den verschiedenen relevanten Typen intermediärer Organisationen zählen parteiabhängige und parteiunabhängige Kollateralorganisationen. Dies sind Organisationen, die im Vorfeld politischer Parteien interessenartikulierend und interessenaggregierend formal oder informell mit diesen verbunden sind sowie die Mitgliederorganisationen politischer Parteien. Des weiteren werden in der hier verfolgten Perspektive auch die neuen sozialen Bewegungen als intermediäre Organisationen konzeptualisiert, obwohl sie einen niedrigeren Grad formaler Organisation aufweisen. Von besonderer Bedeutung hinsichtlich der von den Parteien gewünschten Verstetigung ihrer Beziehungen zu relevanten Umfeldern sind hierbei formale Beziehungen, da sie einen höheren Grad und Verbindlichkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen als informelle Beziehungen. Die soziale Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft hat zu einer steigenden Pluralität von Sozial- und Interessenlagen geführt. In dem Maße, in dem intermediäre Organisationen ihre Fähigkeit eingebüßt haben, große Bevölkerungsgruppen (und damit Interessen und Wählerstimmen) zu bündeln, verlieren sie ihren Nutzen für die Parteien. Gleichzeitig hat die schwindende Kohärenz der Interessen und politischen Präferenzen innerhalb parteiunabhängiger Kollateralorganisationen zu steigendem innerorganisatorischen Widerstand gegen exklusive Bedingungen an eine bestimmte politische Partei geführt. Organisationsstrukturell haben sich diese Prozesse in einer abnehmenden Zahl und Intensität organisatorischen Bedingungen zwischen Parteien und unabhängigen intermediären Organisationen niedergeschlagen haben. Dies wurde von einem Teil der Parteien durch die Schaffung zusätzlicher parteiabhängiger Nebenorganisationen zu kompensieren versucht. Die empirischen Analysen zeigen, dass solche Strategien zumindest partiell erfolgreich sind: Parteien mit starken organisatorisch vermittelten Linkages haben stabilere Wählerschaften. Gleichzeitig wächst kontinuierlich die Gruppe der neuen Parteien, die nur äußerst schwache organisatorische Linkages ausbilden, so dass im Aggregat die Verankerung von Parteiensystemen im intermediären Bereich deutlich schwächer wird.