Die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
Ziel dieses Projektes ist die Untersuchung der effektiven nationalen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Hierbei soll der Frage nachgegangen werden, ob und in welchem Ausmaß die inhaltlichen Regelungen von Richtlinien qualitativ umgesetzt werden. Die Ergebnisse der bisherigen Forschung legen die Vermutung nahe, dass nicht alle Mitgliedstaaten einer effektiven Umsetzung nachgehen bzw. Anreize bestehen, an einigen Stellen die inhaltliche Umsetzung von Richtlinien bei politischen Interessenkonflikten zu verzögern oder sogar zu unterlassen. Aufgrund der Komplexität von Richtlinientexten konnten jedoch solche vermuteten Effekte bislang nur sehr vereinzelt, zumeist nur für einzelne Mitgliedstaaten über die Verfolgung einer Klage beim Europäischen Gerichtshof nachgewiesen werden. Der Implementationsforschung fehlt es daher bislang an verallgemeinerbaren Aussagen über die Determinanten von verspäteter oder unterlassener inhaltlicher Umsetzung. Zur Schließung dieser Forschungslücke soll die Effektivität der nationalen Umsetzung von 21 teilweise repräsentativ ausgewählten Richtlinien vergleichend in allen 15 "alten" Mitgliedstaaten der Europäischen Union qualitativ überprüft werden. Die Evaluation der Qualität der Richtlinienumsetzung wird anhand zweier Bewertungskriterien, der Rechtzeitigkeit (Timeliness) und der Richtigkeit (Correctness) vorgenommen. Um eine qualitative Aussage über die Gründe von Rechtzeitigkeit und Richtigkeit treffen zu können, sollen die wesentlichen Streitpunkte, die bei der Verhandlungen der Richtlinien unter den Mitgliedstaaten auftraten, bestimmt und anschließend untersucht werden, ob und inwieweit die ausgehandelten Kompromisse in den nationalen Rechtstexten (Gesetz, Verordnung etc.) übernommen wurden. Die hierfür benötigten Informationen über die wesentlichen Streitpunkte der ausgewählten Richtlinien stammen aus dem internationalen Forschungsprojekt "Decision Making in the European Union" (Thomson et al. 2006). Die Evaluation der nationalen Umsetzungsprozesse ergab erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten und den untersuchten Richtlinien. Die empirische Untersuchung zeigte, dass die Verhandlungsmacht eines Mitgliedsstaates, die Effizienz seiner Verwaltung und die Zustimmung zu den in der Richtlinie festgelegten Zielen signifikante Determinanten der Umsetzungsqualität sind.