Europawahlstudie 2014
Die Europawahlstudie (European Election Study, EES) 2014 setzte die Tradition der Europawahlstudien fort, die an der Universität Mannheim im Jahr 1979 begründet wurde. Das übergeordnete Ziel der Studie war es, die Qualität der Demokratie -- soweit diese auf allgemeinen Wahlen gründet -- in der Europäischen Union zu untersuchen. Angesichts der Finanzkrise ab 2007 mit der folgenden Staatsschulden-, Banken- und Wirtschaftskrise der Europäischen Union ab 2010 („Euro-Krise“) und der institutionellen Veränderungen, die vor der 2014er Wahl zum Europaparlament (EP) eingeführt wurden (hier vor allem die Rolle der Spitzenkandidaten der europäischen Parteiföderation im Wahlkampf), war diese Forschungsfrage an aktuellen politischen und ökonomischen Entwicklungen orientiert. Ein zweites Ziel war es, die im Rahmen der Europawahlstudie 2014 gesammelten Daten der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zum Zwecke der Sekundäranalyse zugänglich zu machen und damit die Beantwortung weiterer Fragen zur Demokratie in der Europäischen Union anlässlich der Europawahl 2014 zu ermöglichen.
Die Studie bestand aus drei Teilen. Der erste Teil war die Wählerstudie der EES 2014, eine persönliche Nachwahlumfrage unter den wahlberechtigten Bürgern der EU, die sich auf national repräsentative Stichproben stützte. Der zweite Teil war die 2014er Euromanifesto-Studie. Diese beinhaltete die Sammlung und Verkodung der Wahlprogramme, die zum Zeitpunkt der Europawahl von allen national relevanten Parteien veröffentlicht wurden. Der dritte Teil bestand aus einer Social-Media-Studie, in deren Rahmen alle Twitter-Kommunikationen (tweets und retweets) der EP-Kandidaten und ihrer Followers zur Zeit der 2014er Europawahl gesammelt wurden. Die Daten, die aus den ersten beiden Projektteilen resultierten, wurden beim Datenarchiv von GESIS eingestellt und sind seither öffentlich zugänglich (Die Twitter-Daten konnten aus Gründen des Datenschutzes nicht veröffentlicht werden.).
Alle diese Daten wurden von den Projekt-Mitarbeitern und weiteren Kollegen gründlich analysiert und die Ergebnisse wurden veröffentlicht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Spitzenkandidaten-System zu einem leichten Anstieg der Wahlbeteiligung in den 2014er Europawahlen geführt hat, und zwar unter Bürgern, die diese Spitzenkandidaten kannten – dies insbesondere in den Ländern, in denen diese Wahlkampf trieben. Darüber hinaus konnten wir feststellen, dass die Berücksichtigung der Spitzenkandidaten in den Wahlprogrammen der Parteien und in der Kommunikation der betreffenden EP-Kandidaten in den sozialen Medien die Bekanntheit des Spitzenkandidatensystems bei den Parteianhängern förderte. Allerdings war die Erwähnung der Spitzenkandidaten sowohl in den Parteiprogrammen als auch in der Kandidaten-Kommunikation – teilweise aus strategischen Gründen – sehr spärlich.
Hinsichtlich sich verändernder Parteipositionen und thematischer Schwerpunkte (Issue Emphases) angesichts der Krise der Staatsfinanzen konnten wir feststellen, dass Parteien der extremen Linken und Rechten deutlich euro-skeptischer wurden, während die Salienz der Issues sich gegenüber der Wahl 2009 nicht signifikant verändert hat. Diese positionalen Veränderungen schienen dabei nicht subjektiven Wahrnehmungen oder objektiven Indikatoren der Krise der Staatsfinanzen zu folgen, sondern sind am ehesten durch einen generellen Trend zu mehr euro-skeptischen Positionen in der Bevölkerung zu erklären. Darüber hinaus zeigte die auf der Kommunikation in sozialen Medien basierte Messung der Politisierung, dass diese immer noch sehr gering ist und dass insbesondere die großen systemtragenden Parteien nicht zur Verbreitung von EU-Skeptizismus beitrugen.