Innerparteiliche Prozesse und Europäische Mehrparteien-Regierungen
Der überwiegende Teil der Forschung zu Mehrparteien-Regierungen begreift politische Parteien als einheitlich handelnde Akteure. Gleichzeitig betont eine Reihe jüngerer empirischer Studien die zentrale Bedeutung innerparteilicher Konflikte für den gesamten Lebenszyklus einer Regierung. So beeinflussen innerparteiliche Konflikte den Prozess der Regierungsbildung, die anschließende Verteilung von Ministerposten, die Umsetzung von Regierungspolitik sowie die finale Phase der Regierungsbeendigung. Dieses Projekt untersucht diese und weitere Fragestellungen auf Grundlage komparativer Daten zur (ideologischen) Heterogenität innerhalb politischer Parteien in Europa über einen Zeitraum von vier Jahren, die mittels Informationen in sozialen Medien – insbesondere Facebook und Twitter – gewonnen werden.
Auf dieser Datengrundlage widmet sich das Forschungsprojekt drei übergeordneten Themengebieten. Zunächst untersucht es aus einer vergleichenden Perspektive die Folgen innerparteilicher Konflikte für die Regierungsbildung, die Verteilung von Ministerposten und die Regierungsbeendigung. Im Zentrum steht die Frage, inwiefern innerparteiliche Zerwürfnisse die Regierungsfähigkeit von Parteien beeinträchtigen, wie die quantitative und qualitative Verteilung von Ministerposten an einzelne Fraktionen innerhalb politischer Parteien ausfällt und ob und wann interne Streitigkeiten zur vorzeitigen Beendigung von Mehrparteien-Regierungen führen. Den zweiten übergeordneten Themenbereich bilden die institutionellen und strukturellen Ursachen innerparteilicher Konflikte. Im dritten und letzten Themenbereich fragt das Projekt nach der Validität verschiedener Messungen innerparteilicher Heterogenität. Insbesondere erlauben die gewonnenen Daten eine weitergehende Vergleichsprüfung mit alternativen Datenquellen wie beispielsweise parlamentarische Reden, namentliche Abstimmungen und Umfragedaten von Abgeordneten und Parteiaktivisten.
Die Datenerhebung für das Projekt wurde 2021 abgeschlossen. Der Fokus lag darauf, bestehende Manuskripte weiterzuführen und die Auswirkungen innerparteilicher Heterogenität auf das Verhalten sowie die Wahrnehmung von Parteien zu erforschen. Ein Manuskript wurde bei einem internationalen Journal eingereicht, weitere Manuskripte wurden auf der virtuellen EPSA- und der virtuellen DVPW-Konferenz vorgestellt. Das Projekt übersiedelte nach dem Weggang des Projektleiters an das Heidelberg Center for Ibero-American Studies der Universität Heidelberg und wird dort weitergeführt.