Mehrdimensionale nationale Identitäten und Einstellungen zur Außenpolitik in unterschiedlichen Kontexten
Das Projekt untersuchte die Mehrdimensionalität nationaler Identität und ihre Auswirkungen auf politische Einstellungen und politisches Verhalten. Da Globalisierungsprozesse nationale Grenzen zunehmend durchlässig gemacht haben, lag ein besonderer Schwerpunkt auf der Außenpolitik im weitesten Sinne. Die zentrale theoretische Idee war, dass verschiedene Dimensionen der nationalen Identität nicht nur unterschiedliche Auswirkungen haben könnten, wie frühere Forschung gezeigt hat, sondern dass die Konfiguration unterschiedlicher Komponenten nationaler Identität sowie der Kontext, in dem sich die Individuen befinden, für die Auswirkungen der nationalen Identität auf die Einstellungsbildung und das Verhalten von Bedeutung sind.
Vor diesem Hintergrund hat das Projektteam relevante vorhandene Umfragedaten zusammengestellt und neue Daten erhoben, indem maßgeschneiderte Messinstrumente in laufende Erhebungsprojekte integriert wurden. So wurden beispielsweise Maße zur Selbstkategorisierung, zur Verbundenheit und zu Identitätsvorstellungen in eine groß angelegte vergleichende Umfrage zu außenpolitischen Themen aufgenommen, bei der Bürger in den USA (N=2.330), Großbritannien (N=2.339) und Deutschland (N=2.476) befragt wurden.
Die Projektergebnisse sind in Form mehrerer begutachteter Artikel in internationalen und nationalen Zeitschriften erschienen. Unsere Ergebnisse bestätigen, dass nationale Identitäten auf der Bevölkerungsebene multidimensionale Phänomene sind. Darüber hinaus kombinieren viele Bürger Ideenelemente auf eine Art und Weise, die von idealtypischen Konfigurationen abweicht, die die bisherige Forschung mit Dichotomien wie ethnisch/staatsbürgerlich und Nationalismus/Patriotismus zu erfassen versuchte. Unsere Datenanalyse deutet darauf hin, dass in Deutschland mehr als jeder dritte Bürger sowohl ethnisch-kulturelle als auch staatsbürgerliche Kriterien der Nationalität vertritt. Darüber hinaus zeigen Mitglieder dieser "Mischtypen"-Kategorie in bestimmten Kontexten Ambivalenz-Effekte bei der Bewertung von politischen Themen wie Asyl- und Einwanderungspolitik. Zu den weiteren Projektergebnissen gehört, dass nationale Identitätsdimensionen mit politischem Verhalten – Wahlbeteiligung und Wahlentscheidung – in vorhersehbarer, kontextabhängiger Weise verbunden sind. Die Unterschiede in der Radikalität der AfD in Ost- und Westdeutschland spiegeln sich darin wider, dass die Assoziation auf individueller Ebene zwischen ethnokulturellen Vorstellungen und Wahlentscheidung für diese Partei in Ostdeutschland stärker ist als in Westdeutschland.